Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle
Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen im Sinne des Arbeitsschutzes
Arbeitgebende sind laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Diese Maßnahmen können an vier Ebenen ansetzen: an der Belastungsquelle, der Technik, der Organisation und schließlich an der Person (sog. STOP-Prinzip). Anders als im Industrie- und Produktionsbereich kann und soll der für die Gefährdung bei der Interaktionsarbeit ursächliche Faktor, d.h. der betriebsexterne Mensch, nicht substituiert werden. Auch wenn sich schwierige soziale Interaktionen, z.B. mit Kundinnen und Kunden, als Gefährdungsquelle bei der Interaktionsarbeit nicht gänzlich ausschalten lassen, können Arbeitsschutzmaßnahmen darauf abzielen, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von negativem Kundenverhalten zu reduzieren (WEHRMANN, 2023a). Hierfür ist eine Integration technischer, organisatorischer und personenbezogener Maßnahmen erforderlich (Tabelle 9.4.2). Dabei sind individuelle Schutzmaßnahmen (Person/ Verhaltensprävention) laut Arbeitsschutzgesetz nachrangig zu Maßnahmen auf den beiden anderen Ebenen (Technik, Organisation/ Verhältnisprävention).
Tab. 9.4.2 Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung von Interaktionsarbeit | Gestaltungsmaßnahmen |
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T – Technische und bauliche Maßnahmen |
- Ungünstige Arbeitsmittel vermeiden (z.B. nicht funktionierende Selbstbedienungskassen).
- Interaktionsfreundliche Raumgestaltung (z.B. Sitznischen, Musik im Hintergrund)
- Zutrittsregelungen und -kontrollen
- Flucht-/Rückzugswege bei Übergriffen von Kundinnen und Kunden gewährleisten
- Geeignete Alarmierungsmöglichkeiten (z.B. Personen-Notsignal-Anlagen)
- Sicherheits- und Trennwände
- Kameraüberwachung, Audioaufnahmen (z.B. Gesprächsmitschnitte)
- Potenziell gefährliche Gegenstände in der Arbeitsumgebung vermeiden (Tacker, Brieföffner etc.)
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O – Organisatorische Maßnahmen |
- Ungünstige Raumsituationen vermeiden (z.B. grelles Licht, Lärm, "hektische" Umgebung, Kälte, Zugluft)
- Klare Verhaltensregeln und Leitlinien bei Übergriffen von Kundinnen und Kunden
- Null-Toleranz-Politik bei Übergriffen und sexueller Belästigung von Kundinnen und Kunden
- Ausreichende zeitliche und personelle Ressourcen für Interaktionsarbeit: Arbeitsorganisation so gestalten, dass Zeit für soziale Interaktionen von vornherein eingeplant wird
- Analyse der Ursachen für schwieriges Kundenverhalten (z.B. lange Wartezeiten)
- Alleinarbeit in kritischen sozialen Situationen vermeiden
- Erholungsförderliche Pausenmodelle entwickeln und umsetzen
- Ausgewogene Verteilung interaktiver und monologischer Tätigkeiten (z.B. Rotationsprinzipien, sodass Intensität der interaktiven Anforderungen variiert)
- Den Beschäftigten Spielräume für ein flexibles Handeln in interaktiven Situationen ermöglichen
- Internes Dokumentations- und Meldewesen bei Übergriffen von Kundinnen und Kunden
- Beschwerdemanagement einrichten und umsetzen
- Betriebliches Eingliederungsmanagement für Wiederaufnahme der Tätigkeit nach Gewaltvorfall anbieten
- Soziale Interaktionen mit betriebsexternen Personen regelmäßig in Teambesprechungen thematisieren
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P – Person |
- Fortbildungen für Beschäftigte und Führungskräfte (z.B. Kommunikations-, Konflikt- und Deeskalationstrainings, Schulung des Serviceverhaltens etc.)
- Unterweisungen (Notfallschema, Handlungspläne bei Übergriffen von Kundinnen und Kunden)
- Nachsorge- und Betreuungsangebote (z.B. psychologische Notfallbetreuung, Seelsorgeprogramme, Supervisionsangebote, kollegiale Fallberatungen)
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Wirksamkeitskontrolle
Zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört es, ergriffene Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Dies umfasst die Kontrolle, ob festgelegte Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, sowie die Beurteilung, ob damit Gefährdungen tatsächlich reduziert wurden. Die Informationen für die Wirksamkeitskontrolle können zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vor, während und nach der Maßnahmenumsetzung) und auf vielfältigen Wegen gewonnen werden: durch Befragungen der Mitarbeitenden, im Rahmen von Workshops oder Begehungen, durch Dokumentenanalysen (z.B. Monitoring der Häufigkeit von Übergriffen).
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