Begriffsdefinition
Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz werden durch die Häufigkeit und Qualität von Mensch-Mensch-Interaktionen bei der Arbeit bestimmt. Arbeitende haben soziale Beziehungen innerhalb der Organisation (zu Kollegen/-innen und Vorgesetzen) und in vielen Fällen auch zu Personen außerhalb der Organisation (z. B. zu Kunden/-innen, Lieferanten/-innen, Schülern/-innen, Patienten/-innen, Klienten/-innen).
Die Qualität sozialer Interaktionen ist durch Kommunikations- und Kooperationsregeln zu gestalten. Zur Vorbeugung von Gefährdungen der sozialen Beziehungen, die aus der Interaktion mit Kunden/-innen und Klienten/-innen resultieren können auch baulich-technische Maßnahmen eingesetzt werden. Soziale Beziehungen bei der Arbeit sind gut gestaltet (GDA ARBEITSPROGRAMM PSYCHE, 2022), wenn
- auf die Würde und Unversehrtheit aller Beschäftigten geachtet wird.
- Möglichkeiten zu gegenseitigen Austausch bzw. der fachlichen Zusammenarbeit zwischen Kollegen/innen bestehen (Kommunikation, Kooperation).
- Beschäftigte bei Bedarf durch Kollegen/innen oder Vorgesetzte unterstützt werden.
- Beschäftigte regelmäßig Rückmeldung und Anerkennung von ihren Vorgesetzten erhalten.
- Regelungen zum Umgang mit Konflikten und Fehlern getroffen sind und umgesetzt werden (offene Fehlerkultur).
- Führungskräfte und Kollegen/innen respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen.
- Führungskräfte genügend Zeit und Qualifizierungsmöglichkeiten erhalten, um die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz angemessen und wertschätzend gestalten zu können
Gut gestaltete soziale Beziehungen wirken sich förderlich auf das Erreichen von Auftrags- und Leistungszielen sowie auf die Selbstwirksamkeitserwartung, die berufliche Identität und die Kompetenzentwicklung des Beschäftigten aus.
Relevanz des Faktors
Abhängig Beschäftigte sind im Arbeitskontext stets Bestandteil eines sozialen Systems und stehen damit in Interaktion mit Kollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten. Ausgehend von den Ergebnissen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 erlebt sich die übergroße Mehrheit der deutschen Beschäftigten am Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft, die von einer guten Zusammenarbeit mit Kollegen/-innen und der Erfahrung von Hilfe/Unterstützung durch Kollegen/-innen und Vorgesetzte geprägt ist (Tab. 9.3-1). Allerdings berichtet nur ein Drittel der Beschäftigten, regelmäßig Lob und Anerkennung durch den Vorgesetzten zu erhalten.
Wirtschaftszweige | gute Zusammenarbeit mit Kollegen | am Arbeitsplatz Teil einer Gemeinschaft | Hilfe/ Unterstützung durch Kollegen | Hilfe/ Unterstützung durch direkten Vorgesetzten | Lob/ Anerkennung durch Vorgesetzte |
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Verarbeitendes Gewerbe | 86 | 78 | 80 | 58 | 27 |
Energieversorgung | 90 | 84 | 82 | 68 | 22 |
Wasserversorgung; Abwasser-, Abfallentsorgung/ Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 89 | 75 | 77 | 61 | 24 |
Baugewerbe | 88 | 79 | 84 | 64 | 30 |
Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen | 86 | 80 | 77 | 58 | 34 |
Verkehr und Lagerei | 77 | 69 | 68 | 55 | 28 |
Gastgewerbe | 83 | 77 | 73 | 55 | 39 |
Information und Kommunikation | 88 | 80 | 81 | 61 | 35 |
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen | 92 | 85 | 83 | 64 | 37 |
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen | 89 | 83 | 81 | 68 | 35 |
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherungen | 89 | 83 | 79 | 61 | 33 |
Erziehung und Unterricht | 89 | 86 | 83 | 59 | 36 |
Gesundheit und Sozialwesen | 86 | 85 | 80 | 57 | 36 |
Kunst, Unterhaltung und Erholung | 85 | 79 | 76 | 56 | 27 |
Gesamt | 86 | 80 | 79 | 59 | 33 |
Eine Sonderauswertung der Daten aus der repräsentativen Beschäftigtenbefragung des "DGB-Index Gute Arbeit" 2018 zeigte (ROTH et al., 2019), zeigte, dass sehr häufig/oft in direktem Kontakt mit Kunden/-innen stehende Beschäftigte häufiger als solche, die nie/selten Kontakt mit Kunden-innen haben, von Konflikten (20% vs. 6%) oder einer herablassenden/respektlosen Behandlung durch Kunden-innen (13% vs. 6%) berichten.
In einer Befragung der Europäischen Arbeitsweltberichterstattung (EUROFOUND, 2017) berichteten etwa 16% der deutschen Beschäftigten irgendein nachteiliges Sozialverhalten (z.B. Beschimpfungen, sexuelle Anzüglichkeiten, Missbilligung, Mobbing). Davon betroffen waren vor allem Beschäftigten im Bau- und Verkehrssektor sowie in der Öffentlichen Verwaltung als auch dem Bildung- und Gesundheitswesen (je 21%).