Neue Wege zur Messung und Risikobewertung luftgetragener Biostoffe
Wie riskant Tätigkeiten mit hohen Expositionen mit komplexen Gemischen aus luftgetragenen Biostoffen tatsächlich sind, ist bisher schwer zu beurteilen. Es fehlen geeignete Mess- und Bewertungsmethoden. Die BAuA forscht daher intensiv im Bereich der Bioaerosole.
Mikroorganismen gibt es überall. Daher kommen unsere Haut, unser Verdauungssystem sowie unsere Atemwege täglich mit ihnen in Kontakt. Im Vergleich zu diesem normalen, für den Menschen in der Regel ungefährlichen Aufkommen, erfahren viele Beschäftigte an ihren Arbeitsplätzen jedoch zusätzliche Belastungen gegenüber luftgetragenen Mikroorganismen. Das ist vor allem in zwei großen Bereichen der Fall:
- Arbeitsbereiche, in denen die Beschäftigten Tätigkeiten mit Materialien oder Lebewesen ausüben, die den natürlichen Lebensraum der Mikroorganismen darstellen (Erde, Wasser, Pflanzen sowie Tiere und Menschen)
- Arbeitsbereiche, die während des Produktionsprozesses erwünscht (zum Beispiel in der Lebensmittelveredlung) oder unerwünscht (zum Beispiel Kühlschmierstoffe) durch Mikroorganismen besiedelt werden
Die Konzentrationen luftgetragener Mikroorganismen können dabei bis auf das 10.000-fache der Normalbelastung ansteigen.
Je nachdem, um welche Art von Biostoffen es geht, wie hoch die Belastung ist, wie lang sie andauert und wie der Gesundheitszustand des Einzelnen ist, können solche Expositionen die Gesundheit der Beschäftigen gefährden. Die Gefahren reichen dabei von Infektionen bis hin zu toxischen oder sensibilisierenden Wirkungen.
Biostoffe in der Gefährdungsbeurteilung
Wegen der möglichen Gefährdungen verpflichten das Arbeitsschutzgesetz und die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" der DGUV jeden Arbeitgeber dazu, zu beurteilen, wie hoch das Gefahrenpotenzial des Beschäftigten in Abhängigkeit von den durchgeführten Tätigkeiten ist. Abhängig von dieser Bewertung müssen Arbeitgeber Schutzmaßnahmen festlegen und das Ergebnis ihrer Überprüfung dokumentieren. Dieses als "Gefährdungsbeurteilung" bezeichnete Vorgehen ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. Es bildet die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement (GDA, 2011).
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber Informationen wie die Identität, das Infektionspotenzial sowie sensibilisierende und toxische Eigenschaften der vorhandenen Biostoffe einholen, die eine potenzielle Gefahr für den Arbeitnehmer darstellen. Außerdem müssen folgende Informationen vorliegen (BioStoffV):
- zu den Expositionsszenarien wie Art der Exposition, Expositionshöhe und -dauer
- zu den damit verbundenen Übertragungsmöglichkeiten
- zu bekannten berufsbedingten Erkrankungen, die im Zusammenhang mit den Belastungen stehen
Auf dem Weg zum Status quo der Bioaerosole
Im überwiegenden Teil der genannten Branchen reichen die Informationen jedoch nicht aus, um Gefährdungsbeurteilungen so wie gefordert durchzuführen. Die bestehenden Wissensdefizite haben unterschiedliche Gründe. Für die Ermittlung der Expositionen gibt es keine Messverpflichtung. Unter anderem aus diesem Grund gibt es für nur wenige Parameter standardisierte Sammel- und Messmethoden. Für viele Parameter sind damit Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Literatur kaum vergleichbar oder nur bedingt auf andere Arbeitsbereiche übertragbar.
Für viele Arbeitsplätze ist noch ungeklärt, welche Biostoffe überhaupt im Bioaerosol vorkommen. Das hängt damit zusammen, dass die derzeit hauptsächlich angewendeten kulturbasierten Methoden nicht ausreichen, um alle Mikroorganismen zu erfassen. Neben der Identifizierung der Biostoffe erweist sich deren Quantifizierung und damit die Abschätzung der Exposition als problematisch. Zudem ist über die sensibilisierenden und toxischen Eigenschaften der Biostoffe wenig bekannt. Kausale Zusammenhänge zwischen einzelnen Parametern und dem Auftreten bestimmter Erkrankungen lassen sich daher nicht oder nur unzureichend ableiten.
Um bestehende Wissenslücken zu schließen, betreibt die BAuA als Ressortforschungseinrichtung Laboratorien, in denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Entwicklung von neuen Messmethoden und Bewertungsinstrumenten sowie der wissenschaftlichen Feldforschung zu Bioaerosolen am Arbeitsplatz angenommen haben.