Vielfaltssensible Arbeitsgestaltung als präventive Strategie zur Förderung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit
Der demografische Wandel ist einer der zentralen gesellschaftlichen Megatrends und wird vor allem mit der Alterung der Bevölkerung - und damit auch der Erwerbstätigen - gleichgesetzt. Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass Demografie, als die Wissenschaft von der Beschreibung der Bevölkerung, neben dem Alter noch vielfaltige weitere Strukturelemente untersucht. Bezogen auf die Arbeitswelt bedeutet dies, dass auch die Dimensionen von Geschlecht, Migration und weitere soziale Faktoren wie Qualifikation sowie Werte und Lebensentwürfe mitbetrachtet werden müssen.
Zunehmende Vielfalt als Herausforderung
Das Recht auf eine umfassende Gleichbehandlung in allen Bereichen des Lebens ist Ausgangspunkt für das betriebliche Diversity Management: Es gilt die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Beschäftigten in den Blick zu nehmen und die Arbeit so zu gestalten, dass sie die vielfältigen Stärken und auch Schwächen wertschöpfend nutzbar macht. Ziel ist die Inklusion aller Beschäftigten mit dem Ziel, die Benachteiligungen aufzuheben und eine weitestgehende Chancengerechtigkeit zu realisieren. Dies bedeutet eine Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters und vieler anderen Merkmalen. Unter Vielfalt sollen im Folgenden die vielfältigen Blickwinkel und Fähigkeiten von Beschäftigten im Betrieb verstanden werden. Diese Blickwinkel und Fähigkeiten entstehen durch die Kombination verschiedener sichtbarer und unsichtbarer Merkmale und Dimensionen. Diese sind zum Beispiel Lebensalter, Geschlecht, sexuelle Orientierung/Identität, Behinderung (physische und/oder psychische Fähigkeiten), ethnische Herkunft und Nationalität, Religion und Weltanschauung. Zur Vielfalt in der Arbeitswelt gehören auch soziale Lage/Herkunft, Qualifikation, Aussehen sowie Lebensformen/ -entwürfe, die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse bzw. Positionen und Rollen, in denen die Beschäftigten tätig sind.
Vielfalt in der Arbeitswelt ist aber auch kein Selbstzweck. Vielfalt ist, immer schon da, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Diversität ist häufig zunächst erstmal ein "Störfaktor" und bedeutet "Reibungsverluste" in den betrieblichen Abläufen, da es Abweichungen vom Standard gibt: Hier versteht ein Mitarbeiter aufgrund von Sprachschwierigkeiten die Arbeitsaufgabe nicht richtig, dort kann ein älterer Mitarbeiter nicht mehr die volle körperliche Leistung bringen, dort sind Teambesprechungen aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle kaum noch möglich. Die Bespiele zeigen, dass Vielfalt kein Selbstzweck ist, sondern es gilt Vielfalt bewusst in alle betrieblichen Prozesse mitzudenken und einbeziehen. Nur so können die persönlichen Stärken und Schwächen der Beschäftigten und ihre individuellen eigenen Blickwinkel und Fähigkeiten in den Wertschöpfungsprozesse eingebunden werden.
Neben der Vermeidung von Störungen und der Respektierung und Förderung der Persönlichkeit aller Beschäftigten ist für die Arbeitsgestaltung natürlich auch der Schutz besonders vulnerabler Beschäftigtengruppen von großer Bedeutung. Seit langem werden daher beispielsweise die spezifischen Arbeitsbedingungen von Frauen oder Migranten analysiert, um entsprechende Präventionsmaßnahmen oder spezifische Förderprogramme abzuleiten.
Der erfolgversprechendste Ansatz, das Thema Vielfalt in einer Organisation zu etablieren, ist der Mainstreaming-Ansatz, d. h. dass in allen Prozessen Diversität mitgedacht wird. Es geht also nicht darum, die klassischen Dimensionen von Diversity einzeln für sich zu betrachten und daraus vielleicht spezielle Förderprogramme für Ältere, Frauen oder Migranten oder andere Gruppen abzuleiten, sondern Ziel ist es, dass Unternehmen die unterschiedlichen Blickwinkel und Fähigkeiten der Beschäftigten in alle betriebliche Prozesse einbeziehen: als Bestandteil der Unternehmensstrategie, des Führungsverhaltens, der Personalarbeit, der Arbeitsorganisation und der Unternehmenskultur kann Vielfalt so ein Thema werden, das in Alltagsentscheidungen und -handlungen von allen Beteiligten im Betrieb berücksichtigt wird. In diesem Sinne geht es auch nicht darum eine neue spezielle Organisationseinheit zu gründen, die sich um Vielfaltsbelange kümmert, sondern viel wichtiger ist es, dass alle Beschäftigten, von den obersten Führungskräften bis hin zur einfachen Aushilfskraft, die Perspektive von Diversität verinnerlicht haben.
Vielfalt als Vorteil nutzen
Wer Vielfalt bewusst einbezieht, kann
- neue Marktsegmente und Kundenzielgruppen erkennen und bedarfsgerechte Angebote entwickeln,
- unterschiedliche Blickwinkel und Fähigkeiten der Beschäftigten wahrnehmen und ihnen gleiche Chancen bieten zur Förderung von Motivation und Zufriedenheit,
- die Beschäftigten für innovative Entwicklungen aktivieren,
- als Arbeitgeber attraktiv für Menschen sein und somit Wettbewerbsvorteile bei der Personalgewinnung erreichen,
- helfen betriebliche Herausforderungen wie den Fachkräftemangel zu bewältigen.
Instrumente zum Diversity Management
Im Rahmen der Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) wurden unter der fachlichen Betreuung der BAuA Instrumente entwickelt, die Unternehmen und Organisationen unterstützen, den Herausforderungen vielfältiger Belegschaften gerecht zu werden.
Toolbox SoViel - Soziale Vielfalt produktiv managen
Die Toolbox SoViel bietet Unternehmen und Organsiationen Hilfestellungen in den Handlungsschwerpunkten Unternehmensstrategie, Arbeitgeberattraktivität, vielfaltssensible Führung sowie Potenziale erkennen und nutzen. Jedes dieser Handlungsfelder zeigt mehrere Maßnahmen, um Vielfalt innerhalb der Organisation umzusetzen. Dazu gibt es pro Maßnahme eine kurze Beschreibung und Materialen zum Download. Diese Materialen richten sich an die Leitungen von Unternehmen und Verwaltung, Führungskräfte und Interessensvertretung, aber auch an alle Beschäftigte, die sich mit dem Thema Vielfalt auseinandersetzen möchten.
http://soviel-projekt.de/toolbox/
INQA-Check Vielfaltsbewusster Betrieb. Erfolgreich durch Vielfalt: Eine Selbstbewertung für Unternehmen
Der INQA-Check ist ein Selbstbewertungsinstrument, das Unternehmen dabei hilft, zu überprüfen, ob und wie Sie die vielfältigen Fähigkeiten Ihrer Beschäftigten in betrieblichen Prozessen einbeziehen. Als Bestandteil der Unternehmensstrategie und der Geschäftsidee, des Führungsverhaltens, der Personalarbeit, der Arbeitsorganisation und der Unternehmenskultur kann Vielfalt so ein Thema werden, das in Alltagsentscheidungen und -handlungen von allen Beteiligten im Betrieb berücksichtigt wird. Die Analyse erfolgt nicht anhand der einzelnen Dimensionen von Vielfalt, sondern orientiert sich an den Wertschöpfungsprozessen des Unternehmens. Ein einfaches Ampelmodell sensibilisiert für Handlungsbedarfe in den unterschiedlichen Bereichen.
SESAM-Check Migrantengeführte Unternehmen
Im SESAM-Check finden migrantengeführte Unternehmen Instrumente zur Überwindung typischer Hemmnisse bei der Entfaltung ihrer vollen Wirtschaftskraft und zur gezielten Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungschancen. Der SESAM-Check kann dabei wie ein modularer Werkzeugkasten genutzt werden. Er besteht aus den drei Themenfeldern Menschen im Unternehmen, Organisation und Strategie und Kooperation. Es erfolgt eine Konkretisierung des individuellen Handlungsbedarfs mithilfe unterschiedlicher Checkpunkte sowie die Bereitstellung entsprechender praktischer Bewältigungshilfen in Form von Anregungen aus der Praxis oder erprobten Praxishilfen zur Umsetzung.