Partikelförmige Gefahrstoffe

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) engagiert sich national und international für die Sicherheit und Gesundheit beim betrieblichen Umgang mit partikelförmigen Gefahrstoffen.

REM-Aufnahme: Stehendes-MWCNT-Agglomerat
© BAuA

Partikelförmige Gefahrstoffe sind Substanzen, Mischungen oder Artikel, die in Form von kleinen Partikeln vorliegen. Einmal aufgewirbelt, können kleine Partikel lange als Staub in der Luft schweben und unter Umständen eingeatmet werden. Von eingeatmeten partikelförmigen Gefahrstoffen kann daher eine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgehen. Einatembarer Staub kann Partikel enthalten, die so klein sind, dass sie bis in die sehr empfindlichen Lungenbläschen (Alveolen) gelangen können. Der Anteil des alveolengängigen Staubs (A-Staub) wird darum für viele Staubarten zusätzlich zum einatembaren Anteil (E-Staub) ausgewiesen.

Quellen von partikelförmigen Stäuben

Partikelförmige Stäube können verschiedene Freisetzungsursachen sowie stoffliche und morphologische ("morphologisch" bedeutet die Partikelform beschreibend) Zusammensetzungen haben. An Arbeitsplätzen können beispielsweise mineralische, rußhaltige oder metallische Stäube oder auch Holzstaub freigesetzt werden. Je nach Arbeitsprozess und vorhandenen Schutzmaßnahmen kann die Belastung von Beschäftigten ganz unterschiedlich ausfallen. Hohe Staubfreisetzung kann beispielsweise in Industriezweigen wie Bergbau, Bauwesen, Metallverarbeitung (z.B. Schweißen), Chemie und Holzverarbeitung auftreten. Aber auch außerhalb des Arbeitsplatzes können Menschen durch partikelförmige Gefahrstoffe enthaltenden Staub belastet sein, beispielsweise durch eine hohe Feinstaubbelastung aus dem Straßenverkehr, in Folge von Verbrennungsprozessen (Heizen, Feuerwerk, Waldbrände) oder bei häuslichen Renovierungsarbeiten.

Gesundheitliche Folgen von Staubexposition

Auf die Inhalation von Staub, reagiert der Körper mit Abwehr- und Reinigungsmechanismen der Lungenschleimhäute und alveolaren Zellen. Viele in den oberen Atemwegen landende Partikel können einfach über den Lungenschleim abgehustet und aus dem Körper entfernt werden. Tief in die Lunge gelangende Partikel müssen hingegen von Fresszellen aktiv aufgenommen und abtransportiert werden. Unabhängig von der chemischen Zusammensetzung eingeatmeter Partikel kann darum eine übermäßig hohe Staubbelastung der Lunge zur Überlastung ihrer Selbstreinigungsfunktion führen, insbesondere bei einer langanhaltenden Staubbelastung. Dadurch kann es zu Atembeschwerden und allergischen Reaktionen kommen. Einige Arten von Partikel verbleiben auf Grund ihrer Zusammensetzung (z.B. Quarzstaub) oder ihrer Form (z.B. faserförmiger Asbest) sehr lange im Lungengewebe. Diese sogenannten Inertstäube (inert: sich an bestimmten chemischen Vorgängen nicht beteiligend) können vom menschlichen Körper nicht abgebaut werden. In der Folge können chronische Erkrankungen wie beispielweise quarzstaubbedingte Silikose (Staublunge) oder Asbestose entstehen, mit zum Teil äußert schwerwiegenden Krankheitsfolgen wie asbestbedingtem Lungenkrebs.

Faserpathogenes Paradigma

Zusätzlich zur allgemeinen Gefährlichkeit von Stäuben beeinflussen die chemische Zusammensetzung löslicher Stäube und, besonders im Fall von Inertstäuben, die Form der Partikel ihre Gefährlichkeit. So können faserförmige Staubpartikel aus aerodynamischen Gründen viel tiefer in die Lunge gelangen als vergleichbar schwere granuläre ("granulär": körnige, also eher sphärisch als längliche geformte Partikel] Partikel. Die Lungenfresszellen werden daher mit sperrigeren Partikeln konfrontiert. Sofern Faserstäube unlöslich sind und lange im Lungengewebe verbleiben, also biobeständig sind, können sie eine vielfach höhere schädigende Wirkung als granuläre Stäube entfalten. Asbest ist das bekannteste Beispiel für ein durch seine Faserform toxisch wirkendes Material. Die Gefährlichkeit von Faserstäuben wird im sogenannten faserpathogenen Paradigma zum Ausdruck gebracht, das besagt, dass die langestreckte Form von alveolengängigen und biobeständigen Partikeln die Ursache für ihre karzinogene Wirkung ist.

Nanomaterialien

Die differenzierte Einschätzung möglicher Risiken, verbunden mit der individuellen Partikelgröße und/oder -form, wurde an der BAuA bis in den Nanometerbereich (ein Nanometer entspricht ein Milliardstel Meter) hinein ausgedehnt. Nanopartikel und Nanofasern, entwickelt in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Rahmen der Nanotechnologie-Revolution, gehören zu den kleinsten in Prozessen hergestellten Objekten. Werden sie als Staub in vereinzelter Form oder als kleine Agglomerate geringer Dichte freigesetzt, gelangen sie beim Einatmen mit hoher Wahrscheinlichkeit bis in die empfindlichen Lungenbläschen. Deshalb ist es wichtig, mögliche toxische Wirkungen solcher Materialien frühzeitig zu erkennen und die Art und Menge der am Arbeitsplatz freigesetzten Partikel und Fasern trotz ihrer geringen Größe verlässlich zu ermitteln. Die BAuA beteiligt sich aktiv und engagiert an der Entwicklung geeigneter Messmethoden und Bewertungsmaßstäbe.

Screenshot der Seite 7 aus der Publikation baua: aktuell 1/24

Aufgrund ihrer geringen Größe greifen viele Methoden zur Ermittlung von Gefahrstoffen in der Luft bei Nanopartikeln nicht. Es bedarf daher angepasster oder neuer Methoden, um die Art und Menge der am Arbeitsplatz freigesetzten Teilchen verlässlich zu ermitteln. Ein Artikel in der baua: Aktuell 01/2024 gibt Einblicke in die Beteiligung der BAuA beim Projekt "NanoHarmony" und die Entwicklung einer internationalen Prüfrichtlinie zur Charakterisierung von Nanomaterialien.

NanoHarmony - europäisches Koordinierungs- und Unterstützungsprojekt

Im Rahmen des europäischen Forschungsrahmenprogramms "Horizont Europa" wurde das Koordinierungs- und Unterstützungsprojekt "NanoHarmony" gefördert. Das Projekt hatte zum Ziel, die Entwicklung von Prüfrichtlinien zu unterstützen und auf europäischer und internationaler Ebene zu koordinieren. Die BAuA leitet das Projekt.

Innovative Materialien

Fortschrittliche Werkstoffentwicklungen werden aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit mit dem Oberbegriff "Innovative Materialien" bezeichnet. Für diese gilt es zu untersuchen, welche bisher nicht bedachten gesundheitlichen Implikationen sie haben könnten. Für nanofaserhaltige Komposite und anisotrope ("anisotrop": richtungsabhängige physikalische und/oder chemische Eigenschaften aufweisend) Werkstoffe ist beispielsweise zu klären, ob sie bei Bearbeitung und Recycling oder im Fall eines mechanischen Versagens faserförmige alveolengängige und biobeständige Bruchstücke freisetzen können, wie sie u.a. bei der Bearbeitung von carbonfaserverstärkten Werkstoffen beobachtet wurden.

Jedes dieser "Innovativen Materialien" hat spezifische gesundheitliche Risiken. Diese Risiken ermitteln sich aus dem toxikologischen Profil der materialbeinhaltenden Substanz/en und dem Maße mit dem man ihr/ihnen gegenüber exponiert ist.

Gesetzliche Regelungen zum Schutz vor partikelförmigen Gefahrstoffen

Für das Ziel, die menschliche Gesundheit vor übermäßiger Exposition durch partikelförmige Gefahrstoffe zu schützen, wurden verschiedene Regelwerke etabliert. Der Umgang mit Gefahrstoffen am Arbeitsplatz wird beispielsweise durch eine Reihe von Gesetzen, z. B. Gefahrstoffverordnung, und untergesetzlichen Regelungen, z. B. Technische Regeln, geregelt. So wurden für eine Reihe von Stoffen Grenzwerte für die zulässige Exposition am Arbeitsplatz festgelegt. Für Arbeitsbereiche, die diese Grenzwerte überschreiten wurden die Reihenfolge der durchzuführenden Schutzmaßnahmen festgeschrieben, das STOP-Prinzip. Dies beinhaltet die Substitution (Ersatz) gefährlicher Stoffe, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen und erst als letztes Maßnahme persönliche Schutzausrüstung.

Aufgabe der BAuA ist es, durch Forschung eine wissenschaftsbasierte Regelsetzung zum Schutz vor partikelförmigen Gefahrstoffen am Arbeitsplatz vorzubereiten. Dazu werden Nachweismethoden und Messverfahren zur Quantifizierung und Charakterisierung von partikelförmigen Materialien entwickelt. Die Standardisierung neuer Methoden und die Anpassung des Regelwerks wird durch die Mitarbeit in Fachgremien unterstützt. Dies trägt dazu bei, die Risiken im Umgang mit partikelförmigen Gefahrstoffen weiter zu reduzieren.