Als Teil des elektromagnetischen Spektrums umfassen elektromagnetische Felder (EMF) den Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz. EMF gehören zur nichtionisierenden Strahlung, da ihre Quantenenergie mit max. 0,0013 eV (Elektronenvolt, bei 300 GHz) nicht ausreicht, um Moleküle zu dissoziieren oder ionisieren (z. B. Bindungsenergie von Wasserstoffbrückenbindungen wie im menschlichen Erbgut ca. 5 eV). In diesen Frequenzbereich fallen:
- statische elektrische und statische magnetische Felder bei 0 Hz,
- niederfrequente EMF bis 10 MHz (zeitveränderliche elektrische und zeitveränderliche magnetische Felder) sowie
- hochfrequente EMF von 100 kHz bis 300 GHz.
Eine Beschreibung mittels dieser Frequenzbereiche ist aufgrund der frequenzabhängigen Wechselwirkungen mit Materie (Eigenschaften wie elektrische, dielektrische bzw. magnetische Leitfähigkeit) notwendig. Dadurch unterscheiden sich z. B. biologische Wirkungen, Anforderungen an Mess- und Berechnungsverfahren oder ggf. durchzuführende Schutzmaßnahmen. Die Grenzen zwischen diesen Frequenzbereichen verlaufen jedoch nicht trennscharf; siehe . So wird zwischen 100 kHz und 10 MHz ein Übergangsbereich definiert, in dem sich die biologischen Wirkungen nieder- und hochfrequenter EMF überlagern.
Folgende biologische Wirkungen von EMF, auch als direkte Wirkungen bezeichnet, sind international wissenschaftlich anerkannt:
- Kraftwirkungen in starken statischen Magnetfeldern auf geladene/ bewegte Teilchen im Körper,
- kurzzeitige nichtthermische Wirkungen (Reizwirkungen) auf Nerven, Muskeln, Sinneszellen in niederfrequenten EMF:
- metallischer Geschmack bei f < 1 Hz,
- Schwindel oder Übelkeit durch schnelle Bewegung in statischen Magnetfeldern (wirksame Frequenz f » 2 Hz),
- Magnetophosphene (Lichtblitze), max. Empfindlichkeit bei f 20 Hz,
- Stimulation von Muskeln und peripheren Nerven, max. Empfindlichkeit bei f » 50 Hz,
- thermische Wirkungen (Wärmewirkungen) durch Absorption im Gewebe in hochfrequenten EMF,
- in Gliedmaßen induzierte Körperströme in hochfrequenten EMF (100 kHz bis 110 MHz), und
- Mikrowellenhören in hochfrequenten EMF (300 MHz bis 6 GHz).
Über direkte Wirkungen hinaus, können EMF folgende indirekte Wirkungen bedingen:
- auf medizinische Vorrichtungen und Geräte wie Implantate,
- Kontaktströme, z. B. durch Kontakt mit ungeerdeten Gegenständen,
- Kraftwirkungen auf ferromagnetische Gegenstände (Projektilwirkung),
- Auslösung von elektr. Zündvorrichtungen,
- Auslösung von Bränden oder Explosionen
- Hinweis: Die mögliche Auslösung von Bränden oder Explosionen aufgrund statischer Elektrizität (Funkenbildung) wird auch in Abschnitt 2.2 und aufgrund hochfrequenter elektromagnetischer Felder (Energiedisposition) auch in Abschnitt 3.4 behandelt.
Für EMF in der natürlichen Umwelt sind Blitze (statisches elektrisches Feld) und das Erdmagnetfeld (statisches magnetisches Feld) prominente Beispiele. Als technische Anwendungen sind EMF über alle Branchen an fast allen Arbeitsplätzen vorhanden, z. B.:
- Büro: WLAN, DECT (Digital Enhanced Cordless Communication), Dauermagnete etc. (Exposition weit unterhalb der Expositionsgrenzwerte)
- Energieversorgung: Energieerzeugung und -übertragung
- Handel: elektronische Artikelsicherung
- Industrie: Elektrohandwerkzeuge, Elektromotoren, Anlagen für induktive Erwärmung, Widerstands- und Plastikschweißen, Galvanik, Hochfrequenz-Trocknung, Metallurgie, Halbleiterfertigung, kabellose Energieübertragung
- Kommunikation: Sprech-, Rund- und Mobilfunk, TETRA (BOS, ein Standard für ein behördlich genutztes Funksystem), Industrie 4.0
- Labore: Magnetresonanzspektroskopie, Mischung von Substanzen
- Medizin: Magnetresonanztomografie, Therapie mit transkranieller Magnetstimulation, Diathermie, Elektrochirurgie
- Radar: Luftfahrt, Schifffahrt, autonomes Fahren, Mensch-Roboter-Kollaboration
- Rettungskräfte: intelligente Schutzkleidung
- Verkehr: Elektromobilität, Straßen-, U- und S-Bahnen, Nah- und Fernverkehrszüge, Flugverkehr
Einen besonderen Stellenwert haben EMF im Zusammenhang mit dem Wandel der Arbeitswelt hin zu digitaler Arbeit. So ermöglichen EMF z. B. die bei digitaler Arbeit benötigte Ortsflexibilität, Informationsverfügbarkeit, -menge, -qualität und -übertragung. Damit verbunden wird die Anzahl von EMF-Quellen zunehmen. Jedoch bedeutet eine steigende Anzahl von EMF-Quellen nicht zwangsläufig auch eine höhere Exposition gegenüber EMF oder gar eine Zunahme möglicher Gefährdungen. Eine an die Bedarfe digitaler Arbeit angepasste Netzarchitektur kann, unter bestimmten Bedingungen, im Gegenteil sogar dazu führen, dass die EMF-Exposition sinkt.
Die fachkundige Bewertung der EMF-Exposition am Arbeitsplatz erfolgt auf Basis eines in der Europäischen Union einheitlichen Schutzkonzeptes aus der EMF-Richtlinie 2013/35/EU. Dieses wiederrum basiert auf Empfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, ICNIRP). Die EMF-Richtlinie wurde durch die Arbeitsschutzverordnung zu EMF (EMFV) in nationales Recht überführt. Sie trat am 15.11.2016 in Kraft. Um die Anwendung der EMFV in der betrieblichen Praxis zu unterstützen, wurden Technische Regeln erarbeitet, die Vermutungswirkung auslösen und somit Rechtssicherheit für Anwender bieten. Andere Lösungen sind möglich, müssen aber nachweislich mindestens den gleichen Schutz für die Beschäftigten erreichen. Die Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu EMF (TREMF) konkretisieren insbesondere die Festlegungen zur Gefährdungsbeurteilung, zur Messung und Berechnung sowie für entsprechende Schutzmaßnahmen.
Nach § 4 EMFV stellen Arbeitgeber sicher, dass die Beurteilung des Gefährdungsfaktors EMF fachkundig geplant und durchgeführt wird. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe, z. B. Durchführung einer vereinfachten Beurteilung, Messung von EMF, Berechnung von EMF oder Beurteilung eines Arbeitsplatzes für Implantatträger. Die allgemeinen Anforderungen an die Fachkunde in Bezug auf EMF sind in § 2 Absatz 8 EMFV festgelegt:
- entsprechende Berufsausbildung oder Berufserfahrung,
- jeweils in Verbindung mit einer zeitnah ausgeübten einschlägigen beruflichen Tätigkeit sowie
- Teilnahme an spezifischen Fortbildungen.