Einatmen von Gefahrstoffen
Ermittlung und Beurteilung
Grenzwerte und weitere Beurteilungsmaßstäbe
Arbeitsplatzgrenzwert
Arbeitsplatzgrenzwerte sind gesundheitsbasierte Werte; d. h., werden diese Luftkonzentrationswerte am Arbeitsplatz eingehalten, sind keine akuten und chronischen Auswirkungen zu erwarten. Arbeitsplatzgrenzwerte sind Schichtmittelwerte mit zugehörigen Kurzzeitwerten für die Beurteilung von Expositionsspitzen. Sie sind in der TRGS 900 gelistet.
Biologischer Grenzwert (BGW)
Der BGW ist auch ein gesundheitsbasierter Grenzwert; d. h., wird diese Konzentration bei einer arbeitsmedizinischen Untersuchung eingehalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Gesundheit eines Beschäftigten nicht beeinträchtigt wird. Die biologischen Grenzwerte sind in der TRGS 903 gelistet.
Akzeptanz- und Toleranzkonzentration
Für einen krebserzeugenden Gefahrstoff gibt es häufig keine Wirkschwelle, ab der keine Gesundheitsgefährdung mehr besteht. Für den Arbeitgeber und Beschäftigten bedeutet das: Bei diesen Tätigkeiten verbleibt immer ein Restrisiko. Wie hoch das verbleibende Restrisiko sein darf und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind, beschreibt der rechtlich etablierte Ansatz in der TRGS 910 "Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen".
Das Akzeptanzrisiko (4:10 000) und das Toleranzrisiko (4:1 000) beschreiben die statistische Wahrscheinlichkeit im Laufe eines Arbeitslebens, an Krebs zu erkranken. Aus dem Akzeptanz- und Toleranzrisiko leiten wissenschaftliche Gremien eine stoffspezifische Akzeptanz- und Toleranzkonzentration ab. Darüber werden die stoffspezifischen Risikobereiche (rot, gelb, grün) beschrieben. Der Vergleich der Belastung der Beschäftigten im Betrieb mit diesen Luftkonzentrationswerten entscheidet über die Notwendigkeit, den Umfang und die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen. Entsprechend zu den Luftkonzentrationswerten gibt es einen Äquivalenzwert zur Akzeptanz- oder Toleranzkonzentration für arbeitsmedizinische Untersuchungen im biologischen Material. Diese Werte sind in der TRGS 910 gelistet.
Methode: Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe: Modul Einatmen
Das Einfache Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) [1] bestimmt das Gefährlichkeitspotenzial ausgehend vom Gefahrstoff über die Gefährlichkeitsgruppe. Dazu nutzt es den Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) nach TRGS 900 oder die Einstufung und Kennzeichnung. Um die Exposition des Gefahrstoffs während einer Tätigkeit zu berücksichtigen, nutzt das EMKG die gehandhabte Menge und das Freisetzungspotenzial des Gefahrstoffs. Diese tätigkeitsbezogenen Angaben können bei einer Betriebsbegehung erhoben werden.
Einstiegsparameter | Beurteilung |
---|---|
Gefährlichkeitsgruppe Einatmen Einstufung: H-Satz der Reihe 300 oder EUH-Satz Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900 |
Einstufung und Arbeitsplatzgrenzwerte sind ein Maß für die von dem Gefahrstoff ausgehende Gefährlichkeit. |
Freisetzungsgruppe Staubungsverhalten, Dampfdruck oder Siedepunkt | Bewertung, wie schnell sich gesundheitsschädliche Dämpfe und Stäube in der Luft ausbreiten. |
Mengengruppe Menge während der Tätigkeit | Bewertung der Gefährdung aufgrund der Menge und der damit verbundenen Konzentrationsanreicherung in der Luft. |
Hinweis: Freisetzungsgruppe und Mengengruppe entsprechen dem EMKG-Modul Brand und Explosion.
Gefährlichkeitsgruppe Einatmen
Liegt für einen Stoff ein AGW vor, wird dieser über den entsprechenden Luftkonzentrationsbereich einer Gefährlichkeitsgruppe zugeordnet werden. Der AGW ist unter Abschnitt 8 des Sicherheitsdatenblattes angegeben. Für Gefahrstoffe ohne AGW und Gemische wird das Gefährdungspotenzial des Gefahrstoffs über die Kennzeichnung bestimmt. Die Gefährlichkeitsgruppe ergibt sich aus den H-Sätzen. Die H-Sätze sind auf dem Kennzeichnungsetikett und im Abschnitt 2 des Sicherheitsdatenblatts enthalten.
Das Gefährlichkeitspotenzial ausgehend vom Gefahrstoff steigt von Gefährlichkeitsgruppe A zur Gefährlichkeitsgruppe E.
AGW nach TRGS 900 |
H-Satz, wenn kein AGW vorliegt | Gefährlichkeitsgruppe | |
---|---|---|---|
Feststoffe (mg/m³) |
Flüssigkeiten (ppm) | ||
10 bis 1 | 500 bis 50 | Kein H-Satz, H304, H319, H335, H336, EUH201A, EUH207, EUH211, EUH212 | A |
1 bis 0,1 | 50 bis 5 | H302, H318, H332, H371 | B |
0,1 bis 0,01 | 5 bis 0,5 | H301, H314, H331, H334, H341, H351, H361, H361d, H361f, H361fd, H370, H373, EUH029, EUH031, EUH070, EUH071 | C |
0,01 bis 0,001 | 0,5 bis 0,05 | H300, H330, H360D, H360Df, H372, EUH032 | D |
> 0,001 | > 0,05 | H340, H350, H350i, H360, H360F, H360Fd, H360FD | E |
Hinweis: Für Altbestände mit Kennzeichnung nach Stoff- und Zubereitungsrichtlinie können die Zuordnungstabellen auf der EMKG-Internetseite [1] genutzt werden.
Mengengruppe
Die Menge des verwendeten Gefahrstoffs kann bei einer Betriebsbegehung ermittelt werden. Anhand des Gebindes und der verwendeten Menge pro Tätigkeit erfolgt die Zuordnung zur Mengengruppe. Das EMKG kennt drei Mengengruppen, die in Tab. 3.2-4 aufgeführt sind. Es sind die gleichen Mengengruppen wie im Modul Brand und Explosion.
Tab. 3.2-4 Zuordnung der Mengengruppen
Freisetzungsgruppe
Um abzuschätzen, wie sehr der Gefahrstoff dazu neigt, sich in der Luft auszubreiten und dort zu verweilen, werden Flüssigkeiten und Feststoffe in Freisetzungsgruppen unterteilt (siehe Tab. 3.2-5). Dieses sind die Gleichen wie im Modul Brand und Explosion. Bei flüssigen Gefahrstoffen ergibt sich die Freisetzungsgruppe aus dem Siedepunkt oder Dampfdruck des Gefahrstoffs. Bei festen Gefahrstoffen kann die Freisetzungsgruppe qualitativ abgeschätzt werden.
Beim Versprühen ist die Freisetzungsgruppe aufgrund des entstehenden Sprühnebels immer hoch. Wässrige Lösungen, z. B. haushaltsübliche Reinigungsmittel, verdunsten langsam; die Freisetzungsgruppe ist niedrig. Erhöhte Anwendungstemperaturen begünstigen die Freisetzung. Wie die Freisetzungsgruppe für erhöhte Anwendungstemperaturen bestimmt wird, ist in den EMKG-Leitfäden [2; 3] erklärt.
Bei einigen Tätigkeiten mit Feststoffen kann es zu feinem Staubabrieb kommen, z. B. durch das Fördern, Abwerfen oder Abkippen von Materialien. Da die hierbei freigesetzten Stäube sehr fein sind, ist die Freisetzungsgruppe "hoch" zu wählen. Dies gilt besonders bei Arbeiten mit Granulat oder körnigen Substanzen, die sonst der Freisetzungsgruppe "niedrig" zuzuordnen wären.
Tab. 3.2-5 Zuordnung der Freisetzungsgruppe