Insgesamt ist die Erfassung der Arbeitszeit in Deutschland weit verbreitet. Rund 80 Prozent der Beschäftigten geben an, dass ihre Arbeitszeit betrieblich erfasst bzw. durch sie selbst dokumentiert wird. Arbeitszeiten, die zuhause geleistet werden, werden hingegen etwas seltener erfasst. Die Erfassung der Arbeitszeit stellt ein wichtiges Instrument für den Arbeitsschutz dar, mit dem Expositionszeiten nachgehalten, zeitliche Entgrenzung vermieden und Erholung gewährleistet werden kann.
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Mai 2019 und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im September 2022 wurde die Erfassung der Arbeitszeit rechtlich gestärkt. Demnach ist der Arbeitgeber verpflichtet ein "objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung" einzurichten, dass die tägliche Arbeitszeit, die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie ihrer Verteilung misst. Die Regelung im Arbeitszeitgesetz (ArbZG), nach der lediglich der Umfang der werktäglichen Arbeitszeit, die über den Achtstundentag hinausgeht, sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen ist (vgl. § 16 Abs. 2 ArbZG), reicht demnach nicht aus. Der Arbeitgeber kann die Erfassung der Arbeitszeit an die Mitarbeitenden delegieren, trägt aber die Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sowie die gesetzeskonforme Dokumentation der Arbeitszeiten.
Erfassung von Arbeitszeiten als wichtiges Instrument für den Arbeits- und Gesundheitsschutz
Die objektive Messung der Arbeitszeit ermöglicht die Einhaltung arbeitszeitlicher Mindeststandards, wie z. B. der Tages- und Wochenhöchstarbeitszeiten, der Ruhezeiten und der Pausen in der Arbeitszeit. Bei atypischen Arbeitszeiten, wie Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit oder Bereitschaftsdienst, hilft die Arbeitszeiterfassung zudem, arbeitsschutzrechtliche Standards nachzuhalten. Hinsichtlich Höchstbelastungen, beispielsweise mit physikalischen, biologischen oder chemischen Gefahrenstoffen, gibt die Länge der Arbeitszeit die Expositionsdauer vor. So bestimmen Arbeitszeiten, Pausen, Ruhezeiten, aber auch die Arbeit zu atypischen Zeiten die arbeitszeitliche Belastungseinwirkung auf die Beschäftigten bzw. definieren mögliche Zeiträume für eine Beanspruchungsrückstellung.
Mehr Flexibilität, weniger Entgrenzung
Auswertungen der BAuA-Arbeitszeitbefragung zeigen, dass für Beschäftigte, deren Arbeitszeit betrieblich erfasst wird, ein geringeres Risiko für Überstunden, lange Arbeitszeiten oder verkürzte Ruhezeiten besteht im Vergleich zu Beschäftigten, deren Arbeitszeit nicht erfasst wird. Zudem werden Beschäftigte mit einer Arbeitszeiterfassung seltener aus ihrem Arbeitsumfeld in ihrer Freizeit kontaktiert und arbeiten im Durchschnitt auch seltener am Wochenende. Beschäftigte mit Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeitkonten geben insgesamt nicht nur weniger Überstunden an, sondern können Überstunden auch häufiger durch Freizeit ausgleichen. Damit kann eine Erfassung der Arbeitszeit nicht nur eine zeitliche Entgrenzung vorbeugen, sondern zeitliche Flexibilitätsmöglichkeiten und Handlungsspielräume für Beschäftigte überhaupt erst ermöglichen.