- Projektnummer: F 2359
- Projektdurchführung: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) / Karlsruher Institut für Technologie (KIT) / Human-Factors-Consult GmbH (HFC)
- Status: Abgeschlossenes Projekt
Projektbeschreibung:
In komplexer werdenden Arbeitswelten werden Arbeiten zur Überwachung und Steuerung von Systemen immer mehr in Leitwarten zentralisiert. Die Operateure in diesen Warten tragen durch ihren erweiterten Aufgabenbereich eine hohe Verantwortung und Arbeitsbelastung, weil sie häufig mehrere weitentfernte Anlagen und Prozessen sowie weitere Arbeiten wie z. B. Zugangskontrollen und Einweisung von Fremdpersonal sicher durchführen müssen. Diese Arbeiten werden mit Bildschirmgeräten durchgeführt. Für diese Geräte stehen neue Technologien zur Ein- und Ausgabe von Daten, die über die konventionelle Bedienung mit Maus und Tastatur sowie Anzeige auf Monitoren im 2D-Format hinausgehen, zur Verfügung. Diese neuen Technologien sollen die Operateure bei der Ausführung unterstützen, indem sie eine schnellere, einfachere bzw. intuitivere Eingabe von Daten und Befehlen ermöglichen sowie eine anschaulichere und detailgetreuere Darstellung von Informationen, z. B. vom Anlagenzustand, in Echtzeit realisieren.
Ziel des Projektes war es, Empfehlungen zur erfolgreichen Auswahl, Gestaltung und Einführung neuer Technologien zu erarbeiten, um zur Entlastung der Operateure und zur Stärkung der Anlagensicherheit beizutragen. Dazu wurden mehrere Teilprojekte durchgeführt:
- TP 1: Stand der Technik, Einschätzung der zukünftigen Entwicklung
- TP 2.1: Multitasking in Leitwarten
- TP 2.2: Belastungs- und Beanspruchungsanalyse zu den verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten von Videoaufnahmen
- TP 2.3: Kommunikation zwischen Leitwartenoperateuren und Beschäftigten in der Anlage
- TP 3: Interaktiver Leitfaden zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung zum Einsatz neuer IKT in Leitwarten
Der erste Schritt (Teilprojekt 1) diente dazu, den Stand der Technik und die Entwicklung zu neuer IKT in Leitwarten in einer Umfrage bei rund 40 Leitwartenbetreibern und -anbietern und einem Workshop zu ermitteln.
Nachfolgend wurde im Teilprojekt 2.1 ein Modell zur belastungsoptimalen Aufgabengestaltung, die weder zu einer Unter- noch zu einer Überforderung der Operateure führt, hinsichtlich einer ausgewogenen Verteilung zwischen der Hauptaufgabe (Überwachen und Steuern der Anlage) und Nebenaufgaben (Zugangskontrolle, Überwachung und Betreuung von Instandhaltungsarbeiten, administrative Aufgaben etc.) entwickelt. Dieses Modell wurde in Laboruntersuchungen mit rund 30 Probanden überprüft und angepasst.
Anschließend wurden im Teilprojekt 2.2 verschiedene Möglichkeiten der Videodarstellungen von Kameraaufnahmen auf Monitoren in der Leitwarte hinsichtlich ihrer Gebrauchstauglichkeit betrachtet. Konkret wurden folgende Darstellungen im Labor simuliert und von rund 40 Probanden die Beanspruchung bei der Lösung von Aufgaben erfasst. Dabei kamen folgende Darstellungsvarianten zum Einsatz:
- Wechselbilder (nacheinander folgende Darstellung von Bildern verschiedener Videokameras vor Ort auf einem Monitor in der Leitwarte) mit verschiedenen Frequenzen der Bildwechsel und Komplexität der bildlichen Darstellung
- Spiegelungen (seitenverkehrte Darstellung gespiegelt an der vertikalen Bildachse) und Zerrungen (Weitwinkel-Zerrungen) mit verschiedenen Graden der Zerrung und im Vergleich zur Spiegelung
- Augmented Reality (Darstellung realer Videoaufnahmen erweitert durch virtuelle ergänzende Elemente) mit unterschiedlichen Graden an Zuverlässigkeit der Augmentierung
- 3D-Darstellungen (perspektivische, dreidimensionale Darstellung mit einem Blickwinkel von 45°) im Vergleich von 3D- zur 2D-Darstellung
- LED-Wall (Videowall: Bewegte Bilder auf einer großen Anzeigefläche): generelle Einsatzmöglichkeiten in Leitwarten
Anschließend wurden in Felduntersuchungen Hinweise zu sinnvollen und ungeeigneten Einsatzgebieten dieser Darstellungen mit Gestaltungshinweisen erarbeitet.
Das Teilprojekt 2.3 hatte das Ziel, den Einsatz neuer Technologien in der Leitwarte und mobiler Endgeräte für Beschäftigte in der Anlage zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Operateuren und Beschäftigten vor Ort zu untersuchen. Dazu wurden drei Betriebe mit Leitwarten beim Einsatz von Notebooks, Tablets und Smartphones beobachtet und deren Beschäftigte hinsichtlich ihrer Belastungssituation befragt. In weiteren vier Betrieben mit Leitwarten wurde die Planung und Erprobung dieser mobilen Endgeräte in der Anlage verfolgt. Daraus wurde eine Checkliste zur Einführung neuer mobiler IKT für die Kommunikation zwischen Leitwarte und Beschäftigte in der Anlage erarbeitet. Diese Checkliste beinhaltet drei Bereiche: Grundvoraussetzung, Betriebs- und Arbeitsorganisation sowie Hard- und Software.
Alle Erkenntnisse aus den genannten Teilprojekten gingen abschließend in ein browserbasiertes Software-Paket zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bei der Einführung neuer IKT in Leitwarten und mobiler Endgeräte ein. Dieses Paket beinhaltet Formulare zur Erfassung der Grunddaten als Vorbereitung der Beurteilung, Aufgabenanalyse, Überwachung der Umsetzung und Wirksamkeitsprüfung sowie Erstellung eines Lastenheftes. Zentral werden jedoch Hinweise zu einer aufgabenadäquaten Auswahl für insgesamt 17 verschiedene Technologien mit anschließenden dynamisch erweiterbarer Checklisten zur Erfassung möglicher Gefährdungen mit Maßnahmenvorschlägen sowie Feldern zur Erfassung und Priorisierung von Maßnahmen gegeben.
Ergänzend zu den Empfehlungen aus den Projekten F 2249 „Bildschirmarbeit in Leitwarten – Handlungshilfen zur ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen nach der Bildschirmarbeitsverordnung“ und F 2320 „Mentale Belastung bei der Prozessüberwachung und -steuerung in Leitzentralen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV)“ zur ergonomischen Leitwartengestaltung liegen nun auch umfangreiche Empfehlungen für die aufgabenadäquate Auswahl, Gestaltung und Einführung neuer IKT in Leitwarten und mobiler Endgeräte vor. Die Weiterentwicklung neuer Technologien sollte weiter beobachtet und ggf. zusätzlicher Forschungsbedarf ermittelt werden.