Welche Rolle spielt der Mutterschutz?

Um den geänderten gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, wurde das MuSchG von 1952 grundlegend reformiert. Das neu konzipierte Gesetz ist zum 01.01.2018 in Kraft getreten.

Ziel des MuSchG ist es, die Gesundheit von Frauen und ihren Kindern am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft und der Stillzeit wirksam zu schützen und Benachteiligungen der werdenden oder stillenden Mütter gezielt entgegenzuwirken.

Es stellt nun einen klaren Bezug zu den geltenden Regelungen des Arbeitsschutzes her, insbesondere durch

  • die Definition der Arbeitgeberpflichten bezüglich Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen sowie Informations- und Unterweisungspflichten,
  • die Beurteilung der Arbeitsbedingungen in zwei Phasen: eine präventive, anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung sowie eine konkretisierende, anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung,
  • klare Maßgaben zur zeitlichen Reihenfolge und Rangfolge der Schutzmaßnahmen.

Dabei hat das neue Mutterschutzgesetz auch die Regelungen der bisherigen Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) integriert und trägt so zu einer Verschlankung und besseren Übersichtlichkeit der Mutterschutzregelungen bei.

Viele bekannte und bewährte Vorgaben zum Mutterschutz werden im neuen MuSchG beibehalten. So muss eine schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz jederzeit kurz unterbrechen und sich unter geeigneten Bedingungen hinsetzen, hinlegen oder ausruhen können. Das Heben schwerer Lasten ist nach wie vor nicht zulässig und auch die verschiedenen Gefährdungen, die Anlass unzulässiger Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen sein können, haben sich im Grunde nicht geändert. Die Palette reicht von Gefahrstoffen über biologische und physikalische Einwirkungen bis zu mechanischen Einflussfaktoren. Weitere faktorenbezogene Anforderungen an den Mutterschutz enthalten die speziellen Kapitel des Handbuches zu den einzelnen Gefährdungsfaktoren.

Aktuelle Änderungen im Mutterschutzrecht

Die inhaltlichen Änderungen des Mutterschutzrechts betreffen vor allem folgende Punkte:

  • Ausweitung des MuSchG auf weitere Personenkreise, z. B. Schülerinnen und Studentinnen, Frauen in betrieblicher Berufsbildung, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz beschäftigte Frauen;
  • klare Arbeitgeberpflichten hinsichtlich allgemeiner und konkretisierender Gefährdungsbeurteilung, Dokumentation sowie Informations- und Unterweisungspflichten;
  • verlängerte Schutzfristen und Berücksichtigung auch beim Kündigungsschutz im Fall von Komplikationen beim Schwangerschaftsverlauf;
  • die Einführung der „unverantwortbaren Gefährdung“ als Maßstab dafür, dass eine Tätigkeit von einer schwangeren oder stillenden Frau nicht weiter ausgeführt werden darf;
  • Mutterschutzgerechte Arbeitsbedingungen werden als Zielvorstellung festgelegt. Die Frau soll ihre Beschäftigung auch während der Schwangerschaft und Stillzeit ohne Gesundheitsgefährdung fortsetzen können und ihr soll weiterhin die Teilhabe an der Erwerbsarbeit ohne Diskriminierung ermöglicht werden. Betriebliche Beschäftigungsverbote sind möglichst zu vermeiden.
  • Änderungen beim Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit, z. B. kann eine Beschäftigung zwischen 20 und 22 Uhr unter bestimmten Bedingungen von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden, wenn die Frau sich dazu ausdrücklich bereit erklärt.

Zur Unterstützung in der Praxis wurde ein Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtet, der die Umsetzung des MuSchG begleitet. Er setzt sich zusammen aus geeigneten Personen vonseiten der Arbeitgeber, der Ausbildungsstellen, der Gewerkschaften, der Studierendenvertretungen und der Landesbehörden sowie weiteren Personen aus der Wissenschaft. Der Ausschuss berät das BMFSFJ in allen Fragen des Mutterschutzes, ermittelt Art, Ausmaß und Dauer der möglichen unverantwortbaren Gefährdungen einer Schwangeren oder Stillenden und stellt sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln zum Schutz der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes auf.

Die mutterschutzbezogene Beurteilung von Gefährdungen am Arbeitsplatz

Im Rahmen der Beurteilung der Gefährdungen nach § 5 ArbSchG müssen Arbeitgeber und Ausbildungsstellen unabhängig von der Zusammensetzung der Belegschaft auch stets beurteilen, welchen spezifischen mutterschutzrelevanten Gefährdungen eine Schwangere oder Stillende am Arbeitsplatz ausgesetzt ist (vgl. § 10 MuSchG). Dies umfasst ausdrücklich alle – auch die psychischen – Gefährdungen. Damit sollen zum einen der Schutz des ungeborenen und gestillten Kindes sichergestellt und zum anderen der Frau die Fortführung der Tätigkeit oder der Ausbildung während der Schwangerschaft und Stillzeit ermöglicht werden.

Anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung

Bereits bei der Einrichtung einer Tätigkeit und damit stets vor der Mitteilung einer Schwangerschaft durch die Beschäftigte müssen der Arbeitgeber bzw. die Ausbildungsstellen tätig werden und eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Konkret bedeutet das, für alle Tätigkeiten die Gefährdungen nach Art, Dauer und Ausmaß zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau ausgesetzt sein kann. Dabei ist unerheblich, ob die Tätigkeit tatsächlich von einer Frau ausgeführt wird.

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erhebung der mutterschutzsensiblen Gefährdungsfaktoren muss der Arbeitgeber ermitteln, ob

  • die Beschäftigte ihre Tätigkeiten in gleichem Umfang wie bisher weiter ausüben darf und keine weiteren Schutzmaßnahmen erforderlich sein werden oder
  • die Arbeitsbedingungen geändert oder der Arbeitsplatz umgestaltet werden muss oder
  • eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an dem konkreten Arbeitsplatz nicht möglich sein wird.

Die Gefährdungsbeurteilung wird tätigkeitsbezogen durchgeführt, wobei gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden können. Der Arbeitgeber dokumentiert die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung sowie den Bedarf an erforderlichen Schutzmaßnahmen und informiert die Belegschaft bzw. im Falle der Ausbildungsstellen auch die Schülerschaft oder Studierenden darüber in geeigneter Form.

Analog der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG muss die Gefährdungsbeurteilung nach MuSchG fachkundig erfolgen. Verfügt die verantwortliche Person nicht über die entsprechende Fachkunde, kann sie eine zuverlässige und fachkundige Person damit beauftragen. Darüber hinaus können die Betriebsärztin/der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit den Arbeitgeber bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung unterstützen.

Die präventive, anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung ermöglicht es dem Arbeitgeber, im Falle einer konkreten Mitteilung einer Schwangerschaft oder Stillzeit bereits vorab festgelegte Maßnahmen zügig umzusetzen. Von Vorteil ist weiterhin, dass die Belegschaft generell über mutterschutzrelevante Gefährdungen am Arbeitsplatz informiert und sensibilisiert ist. Dies kann insbesondere für Frauen mit einem Kinderwunsch bzw. in einem frühen Stadium der Schwangerschaft wichtig sein, wenn sie selbst noch nicht sicher sind bezüglich einer bestehenden Schwangerschaft oder diese dem Arbeitgeber noch nicht angezeigt haben.

Anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung

Wenn eine Beschäftigte eine Schwangerschaft anzeigt, müssen der Arbeitgeber oder die Ausbildungsstelle die Aufsichtsbehörde benachrichtigen und die allgemeine Gefährdungsbeurteilung für den speziellen Fall konkretisieren.

Dabei kann wie folgt vorgegangen werden:

  • unverzügliche Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde, wenn eine Frau mitteilt, dass sie schwanger ist oder stillt (§ 27 MuSchG); hierzu stellen die Landesbehörden im Internet entsprechende Formulare zur Verfügung;
  • Prüfung, ob sich die Tätigkeit gegenüber der anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung verändert hat und die Gefährdungsbeurteilung aktualisiert werden muss;
  • Festlegung der erforderlichen Maßnahmen auf Grundlage des Ergebnisses der anlassunabhängigen (oder der ggf. aktualisierten) Gefährdungsbeurteilung, um unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau auszuschließen;
  • Unterrichtung der Frau über die getroffenen Maßnahmen;
  • Dokumentation der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und der getroffenen Schutzmaßnahmen;
  • Angebot eines persönlichen Gesprächs, um gemeinsam mit der schwangeren oder stillenden Frau mögliche weitere Anpassungen der Arbeitsbedingungen zu besprechen, die über die Festlegungen der Gefährdungsbeurteilung hinausgehen;
  • Dokumentation des Gesprächsangebots an die Frau und der Ergebnisse des Gesprächs, wenn es stattgefunden hat;
  • Überprüfung der Umsetzung und Wirksamkeit der Maßnahmen in regelmäßigen Abständen unter Berücksichtigung des Verlaufs der Schwangerschaft.

Das neue Gesetz regelt jetzt eindeutig, dass der Arbeitgeber eine schwangere oder stillende Frau nur die Tätigkeiten ausführen lassen darf, für die er die erforderlichen Schutzmaßnahmen bereits getroffen hat. Bis zu einer möglichen Umgestaltung des Arbeitsplatzes muss die schwangere Beschäftigte von den entsprechenden Tätigkeiten freigestellt werden. Es ist also für Arbeitgeber von Bedeutung, auf diese Situation gut vorbereitet zu sein.

Welche Zuständigkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?

Die Aufsichtsbehörden der Länder beraten die Arbeitgeber oder Ausbildungsstellen zu Belangen des Mutterschutzes. Die jeweils zuständige Behörde ist auf den Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu finden. Die Aufsichtsbehörden können in Einzelfällen auch erforderliche Maßnahmen zur Erfüllung des MuSchG anordnen.

Eine wichtige Unterstützung sind die Betriebsärztin/der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die im Rahmen der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und Überprüfung der getroffenen Maßnahmen Hilfestellung geben können.

Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) beim BMFSFJ hat sich im Juli 2018 konstituiert und ein Arbeitsprogramm beschlossen. Dies beinhaltet u. a. mutterschutzrechtliche Aspekte der Gefährdungsbeurteilung und die Risikoabwägung bei der Beurteilung der unverantwortbaren Gefährdung. Weitere Informationen zum AfMu sind auf den Internetseiten des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) zu finden.

Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten des BMSFSJ. Das BMSFSJ stellt u. a. einen Arbeitgeberleitfaden zum Mutterschutz zur Verfügung.

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