Nach der Pandemie ist vor der Pandemie
Im Schwerpunktprogramm forscht die BAuA zu arbeitsbedingten Infektionsrisiken und evidenzbasierten Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz.

Die COVID-19-Pandemie forderte den Arbeitsschutz heraus: Lockdown, Homeoffice, Schnelltest oder das Arbeiten mit Masken erforderten das Handeln jeden Betriebes sowie aller Mitarbeitenden.
Das lokale Auftreten leicht übertragbarer Infektionserreger, mit denen die Menschheit zuvor noch nicht in Kontakt gekommen ist, kann eine Pandemie mit dramatischen Folgen für die gesamte Weltbevölkerung zur Folge haben. Durch das komplexe Zusammenspiel vieler Faktoren könnten pandemische Ereignisse zukünftig häufiger auftreten als bisher. Gründe sind bspw. das Bevölkerungswachstum, die Globalisierung, der Klimawandel, anthropogene Eingriffe in die Lebensräume von Tieren sowie die Anpassung der Infektionserreger. Daher stellen angemessene Infektionsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz eine zentrale Aufgabe bei der Pandemiebekämpfung dar. Insbesondere gilt dies, wenn die Infektionserreger als Bestandteil von Bioaerosolen übertragen werden.
Einige berufliche Tätigkeiten sind mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden, etwa die Pflege oder Behandlung von infizierten Menschen im Gesundheitswesen. Dabei sind grundsätzlich entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen einzuhalten. Diese sind vom Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen und auf die entsprechenden Infektionsrisiken abzustimmen. Die rechtliche Grundlage dafür bildet die lang bewährte Biostoffverordnung und die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, die vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe erarbeitet werden. Im Gesundheitswesen ist dies z. B. die TRBA 250. In Laboren die TRBA 100.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben aber auch für Tätigkeiten außerhalb des Geltungsbereiches der Biostoffverordnung eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beschäftigten. Das schließt den Schutz vor Infektionsrisiken mit ein. Allerdings soll das Arbeitsschutzrecht die Beschäftigten vor erhöhten Gefahren schützen, die ihnen durch die Arbeit drohen, nicht aber gegen das allgemeine Lebensrisiko aller Menschen.
Das allgemeine Lebensrisiko für Infektionen unterliegt natürlich großen individuellen Schwankungen. Es kann in Deutschland aber grundsätzlich durch Maßnahmen und Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes geregelt werden. Dieses Gesetz dient damit dem Zweck, übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Werden hier Maßnahmen festgeschrieben gelten diese grundsätzlich für jeden Menschen und damit auch am Arbeitsplatz. Diese Maßnahmen sollten dann im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz eingebunden bzw. aufeinander abgestimmt werden.
Die Situation in Deutschland hat mit Beginn der COVID-19-Pandemie dazu geführt, dass Maßnahmen des allgemeinen Infektionsschutzes in Form einer Technischen Regel mit Vermutungswirkung umgesetzt wurden (SARS-CoV-2 Arbeitschutzregel). Diese Vorgaben wurden von Arbeitgebern und Betrieben dankbar aufgegriffen und umgesetzt. Außerdem wurde der Bedarf gesehen, dass ein Teil der Maßnahmen auch in Zukunft erhalten werden sollte. Um aus den Erfahrungen der Pandemie zu lernen und für zukünftige Infektionsereignisse gut vorbereitet zu sein, wurde daher ein neuer Schwerpunkt im Arbeitsprogramm der BAuA verankert.
Das Schwerpunktprogramm "Schnittstelle Infektions- und Arbeitsschutz" bündelt die Forschungsthemen zum Infektions- und Arbeitsschutz sowie die Entwicklung und Gestaltung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Aufbauend auf der bisherigen Begleitforschung zur COVID-19-Pandemie wird die weitere Forschung in den Themenblöcken Epidemiologie, Schutzmaßnahmen und Desinfektionsmittel jeweils fachbereichsübergreifend aufgegriffen und weiter vertieft. Darüber hinaus soll geprüft werden, inwiefern das Wissen über das Infektionsgeschehen (z. B. pandemische Phasen) in der Bevölkerung in das betriebliche Infektionsschutzkonzept eingebunden werden kann. Auf dieser Grundlage sollen evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für Tätigkeiten, die von der Biostoffverordnung nicht oder bisher nur unzureichend erfasst werden, für zukünftige Herausforderungen erarbeitet und ressortübergreifend behandelt werden.