Die Bildanalyse hat das Potential, sich zu einem zentralen Hilfsmittel bei der Messung von Schadstoffbelastungen der Haut zu entwickeln. Kann KI in Zukunft dabei helfen? Eine BAuA-KI-Nachwuchswissenschaftlerin berichtet aus ihrer Forschung.
Ein Beitrag von Deniz Weißbrodt
Mein Weg in die KI bei der BAuA
Als Absolventin der Biomedizinischen Technik der Technischen Universität Ilmenau mit einem Schwerpunkt in Medizintechnik, Elektrotechnik und Informationstechnik an der Ruhr-Universität Bochum habe ich eine faszinierende Reise durch die Welt der Ingenieurwissenschaften unternommen. Mein Fokus lag auf Signalverarbeitung und Bildverarbeitung im Kontext von biologischen Daten aus menschlichen oder tierischen Zellen. Dieser Weg hat mich in den Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) geführt.
KI ist für mich nicht nur ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, sondern auch eine faszinierende Reise in die Zukunft. Die Möglichkeiten, die sich durch KI-Technologien eröffnen, sind revolutionär. Ich bin davon überzeugt, dass sie unser Leben in den kommenden Jahren maßgeblich prägen werden. Doch während KI heute noch als aufregende Neuheit gilt, denke ich, dass sie irgendwann für uns alle normal sein wird. Das wird neue, ebenso spannende Themen aufkommen lassen, denen ich mit Freude und großer Neugierde entgegenfiebere.
Während meines Studiums stieß ich auf die Arbeit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und war sofort fasziniert. Die Idee, Forschung zu betreiben, die unmittelbar dem Schutz und der Gesundheit der Arbeitnehmer dient, spricht mich auf einer persönlichen Ebene an. Schließlich verbringen die meisten von uns einen Großteil unseres Lebens bei der Arbeit, und es ist mir ein Herzensanliegen, dazu beizutragen, dass unsere Arbeitsumgebung sicherer und gesünder wird. Jeder Mensch verdient es, an einem Arbeitsplatz zu sein, der sein Wohlergehen ernst nimmt. Deshalb habe ich mich der KI-Nachwuchsforschungsgruppe der BAuA angeschlossen. Anfang des Jahres 2024 hat die BAuA sogar eine Gruppe "KI in der Arbeitswelt" unter Leitung von PD Dr. rer. nat. Thea Radüntz ins Leben gerufen, die sich hauptsächlich mit KI-Themen beschäftigt. In dieser Gruppe bin ich jetzt integriert und fachlich betreut. Fachlich im Fokus steht bei mir aktuell die KI-gestützte Erfassung dermaler Exposition in der Arbeitswelt.
Dermale Exposition in der Arbeitswelt
Dermale Exposition bezieht sich auf den Kontakt von Chemikalien, Partikeln oder anderen Substanzen mit der Haut. 'Derma' bedeutet 'Haut', während 'Exposition' für die Konfrontation oder den Kontakt mit diesen Substanzen steht. Diese Exposition ist von großer Bedeutung im Arbeitsschutz, da die Haut das größte Organ des Körpers ist und eine wichtige Barriere gegen potenziell schädliche Stoffe darstellt. Wenn diese Barriere durchbrochen wird, können Chemikalien in den Körper eindringen und verschiedene gesundheitliche Probleme verursachen. Die dermale Exposition kann an verschiedenen Arbeitsplätzen auftreten, beispielsweise in Laboren, Produktionsstätten, in der Landwirtschaft oder bei der Reinigung. Um diese Exposition zu messen und zu überwachen, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Dazu gehören Hautmessungen, Biomonitoring und die Verwendung von speziellen Testgeräten wie Dosimetern und Probeentnahmegeräten. Die Messung der dermalen Exposition kann helfen, Risiken zu identifizieren, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten.
Fragestellungen zum Thema der dermalen Exposition werden in der BAuA im Fachbereich 4 "Gefahrstoffe und Biostoffe" behandelt. In diesem Zusammenhang gab es ein Forschungsprojekt: "Systematische Untersuchung der dermalen Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz (SysDEA)" (BAuA Bericht, Paper) in Kooperation mit dem TNO innovation for life Healthy Living (Niederlande) und dem Benaki Phytopathological Institute (BPI) (Griechenland). Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden verschiedene Methoden zur Messung der dermalen Exposition gegenüber Chemikalien verglichen:
- sammelnde Verfahren, bei denen die Chemikalien mit Schutzanzügen, sogenannten Patches, Handschuhen oder Kopfbändern abgefangen werden,
- entfernende Verfahren, welche die Chemikalien durch Waschen der Hände oder Abwischen von der Haut erfassen, sowie eine
- in-situ-Methode, bei der die in den Experimenten eingesetzte Fluoreszenzchemikalie mit UV-Licht auf dem Körper sichtbar gemacht, fotographisch erfasst und anschließend durch Auswertung der Bilder quantifiziert wird.
Bei den beiden erstgenannten Methoden ist eine aufwändige Extraktion mit anschließender chemischer Analyse erforderlich, um die Höhe der Exposition zu messen. Die Bilder sowie die durch chemische Analyse gemessene Exposition dienen als Grundlage für meine Forschung.
Auf dem Bild ist die Exposition eines Probanden der Studie durch Fluoreszenz sichtbar gemacht. In der Frontalansicht ist die Chemikalie auf der linken Hand deutlich zu erkennen. Zusätzlich sind einzelne verteilte Punkte auf den Beinen zu sehen, die in der Frontalansicht dominanter sind.
Und was hat das mit KI zu tun?
Da KI sehr vielfältig einsetzbar ist und in der Bildanalyse sehr gute Ergebnisse erzielen kann, lag die Überlegung nahe, den entstandenen Foto-Datensatz auch mit KI zu analysieren. Die in-situ-Methode, die die Auswertung anhand der Fluoreszenz und der Bilder vornimmt, konnte leider keine vollständig ausreichenden Ergebnisse erzielen. Dies hat damit zu tun, dass klassische Bildverarbeitungsverfahren die Defizite dieser Methode nicht ausgleichen können. Bei den Experimenten kann es passieren, dass an manchen Stellen eine dickere Schicht der Chemikalie auftritt. Diese dickeren Schichten senden zwar mehr Fluoreszenzlicht aus als dünnere, erreichen aber ab einer bestimmten Schichtdicke das Maximum an Leuchtkraft, weshalb auf den Bildern "dicke" Schichten leider nicht mehr von "sehr dicken" Schichten zu unterscheiden sind. Die Arbeitshypothese ist, durch richtige Vorverarbeitung der Daten die KI sinnvoll zu trainieren, sodass sie z. B. "dicke" von "sehr dicken" Schichten selbstständig unterscheiden kann.
Die KI soll also genauso wie die bereits durchgeführte klassische Bildauswertungsmethode bestimmen wie viel Chemikalie auf einem Bild zu sehen ist. Die Vorteile der KI liegen in der hohen Zahl automatisierter Abläufe. Während mit der klassischen Bildauswertungsmethode viel manuelle und präzise Bildauswertung für jedes einzelne Bild durchgeführt werden muss, beschränkt sich die Hauptarbeit bei der KI-basierten Methode auf die Vorverarbeitung, die Merkmalsgenerierung und das Training des Modells. Sobald das KI-Modell ausreichend gut trainiert ist, können einfach weitere Bilder damit ausgewertet werden.
Auch im Vergleich zum Menschen haben automatisierte Verfahren einige Vorteile. Das genaue Erkennen jedes Details, welches nötig wäre, um die Chemikalienmenge auf den Bildern zu schätzen oder zu berechnen, kann kein menschliches Auge und Gehirn in Kombination leisten. Deshalb würde man sich auf die bereits etablierten Verfahren verlassen und die Chemikalienmenge z. B. durch chemische Analytik ermitteln. Diese Verfahren sind aber sehr aufwendig und deshalb wäre eine in-situ-Methode mit einem automatisierten Auswertungsverfahren zeitsparender und dank KI hoffentlich noch etwas effizienter als bisherige Methoden.
Ich verwende für meine Bildverarbeitung ein Neuronales Netz. Für die Bildverarbeitung sind derzeit Convolutional Neural Networks (CNN) der Stand der Technik. CNNs unterscheiden sich von anderen neuronalen Netzwerken durch ihre Faltungsschichten, die lokale Merkmale in Daten wie Bildern erkennen und verarbeiten. Dabei liegt die Herausforderung nicht nur darin, Parameter wie die Anzahl an Schichten für die CNN geeignet anzupassen, sondern auch in der Vorverarbeitung, Segmentierung und Merkmalsgewinnung aus den Bildern. Erschwerend hinzu kommt die limitierte Anzahl an vorhandenen Bildern, die für das Training verwendet werden können. Teil meiner Forschung ist folglich Lösungen zu suchen, die ich durch das Eigenstudium, Literaturrecherchen und im Austausch mit meinen Arbeitskollegen entwickeln werde.
Fachlicher Austausch ist das (BAu)A und (TN)O in der Forschung
Im Rahmen der guten Kooperation der BAuA mit dem TNO aus den Niederlanden in dem vorangegangenen Forschungsprojekt hat Herr Dr. Roitzsch (Leiter der Gruppe "Expositionsbewertung Biozide") ein Treffen zum fachlichen Austausch organisiert. In diesem Kontext haben wir uns über verschiedene KI-Anwendungen in der BAuA und bei TNO ausgetauscht und vielleicht den ersten Stein für mögliche Kooperationen in der Zukunft gelegt. Für mein Projekt habe ich viel positiven Zuspruch und wertvolle Tipps von den beteiligten internen und externen Experten bekommen.
Zitiervorschlag
Weißbrodt, Deniz, 2024: Kann KI dabei helfen, Schadstoffbelastung auf der Haut zu messen? In: Neues aus den Projekten [online]. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DDE/Forschung/Projektblogs/KI-Blog/Artikel/KI-Schadstoffbelastung-Blog.html