Dokumentation
Am 09. Juni 2022 fand die Veranstaltung "Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt - Ergebnisse aus dem Schwerpunktprogramm der BAuA" statt. Hierzu fanden sich etwa hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Stahlhalle der DASA Dortmund ein.
Die Präsidentin der BAuA, Isabel Rothe, eröffnete die Veranstaltung. In Ihrem Vortrag wies sie auf die Relevanz des tätigkeitsbezogenen Forschungsansatzes hin, der im Schwerpunktprogramm verfolgt wurde, um das breite Portfolio der Arbeitswelt zu betrachten. Mit Bezug auf die Digitalisierung sieht Isabel Rothe aufgrund der fortlaufenden Vernetzung von Technologien neue Herausforderungen, aber gleichermaßen neue Chancen für den Arbeitsschutz und die Unterstützung der Beschäftigten.
Im Rahmen seines Impulsvortrages spiegelte Dr. Ekkehard Ernst von der International Labour Organization aktuelle volkswirtschaftliche und politische Herausforderungen am sogenannten KI-Trilemma. Er stellte bestehende Risiken heraus, die beim Einsatz von KI aufgrund von bestehenden Ungleichheiten auf verschiedenen Ebenen bestünden. Solche Ebenen könnten beispielsweise unterschiedliche Routinegrade von Tätigkeiten, unverhältnismäßige Differenzen im Finanzvolumen von KI-entwickelnden sowie -einsetzenden Unternehmen sein – oder auch eine niedrige Schwelle zwischen Produktivitätssteigerung und Überwachung beim Einsatz von KI. Dr. Ernst zufolge sei KI sinnvoll zur Verbesserung der Systemeffizienz, zur Ermittlung von Indikatoren für den Weiterbildungsbedarf oder auch als Frühwarnsystem in einer hybriden Arbeitswelt.
Dr. Anita Tisch und Dr. Sascha Wischniewski eröffneten in ihrer Funktion als Programmleitung die Ergebnisdarstellung aus dem Schwerpunktprogramm „Sicherheit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt“. Dabei stellten sie insbesondere die im Projekt entwickelten Kriterien zur Gestaltung guter digitaler Arbeit vor. So beschrieben sie unter anderem die Notwendigkeit von Systemtransparenz sowie klarer Verantwortlichkeiten für den Arbeitsschutz in digitalisierten Arbeitssystemen. Wichtig sei auch der sinnhafte Einsatz digitaler Technologien unter Berücksichtigung der Beschäftigten - und nicht nur „der Innovation wegen“. Mit Abschluss des Vortrags leiteten sie die Präsentation der tätigkeitsbezogenen Projektergebnisse ein.
Hier starteten Larissa Schlicht und Dr. Marlen Melzer mit den personenbezogenen Tätigkeiten am Beispiel vom Kontrollieren und Pflegen von Menschen. Dabei stellten sie unter anderem heraus, dass sich bei pflegenden Tätigkeiten Chancen der Digitalisierung insbesondere bei interaktionsbezogenen Merkmalen zeigten. So könne eine gute Gestaltung von Arbeit und Technologie die Kommunikation mit pflegebedürftigen Personen positiv beeinflussen.
Anschließend berichtete Dr. Patricia Tegtmeier über informationsbezogene Tätigkeiten, in denen sich ein hohes Maß an Mediamultitasking feststellen lasse. Ein Forschungsschwerpunkt bei informationsbezogenen Tätigkeiten liege mit Blick auf Büroarbeit und insbesondere auch Home-Office in der Arbeitsplatzergonomie. Hier müssten Studienergebnisse der vergangenen Jahre nun auch auf neue Arbeitsstrukturen hin überprüft werden, die sich u. a. durch die Corona-Pandemie verändert hätten.
Jan Terhoeven präsentierte die Ergebnisse zu objektbezogenen Tätigkeiten an den Beispielen Herstellen, Transportieren und Reinigen. Vor dem Hintergrund bestehender Arbeitsbedingungen und -anforderungen zeige sich hier als Forschungsschwerpunkt der Einsatz digitaler Technologien zur physischen und kognitiven Unterstützung von Beschäftigten. Dazu bedürfe es eines menschzentrierten Gestaltungsansatzes und einer hohen Systemtransparenz, um Sicherheit und Akzeptanz bei den Beschäftigten zu gewährleisten.
Mirko Ribbat berichtete über gesundes Führen und Managen in der digitalen Arbeitswelt. Er wies darauf hin, dass diese Tätigkeiten insbesondere über virtuelle Kommunikationswege deutlich komplexer seien als im persönlichen Dialog. Bezüglich Künstlicher Intelligenz sehe die aktuelle Studienlage einen möglichen Einsatz eher beim Managen als beim Führen. Wesentlicher Forschungsbedarf zeige sich hier in Bezug auf die damit einhergehenden Chancen und Risiken.
Zum übergeordneten Thema des technischen und organisatorischen Arbeitsschutzes in der digitalen Arbeitswelt referierten Sabine Sommer und Dr. Stefan Voß. Beim Einsatz innovativer Technologien und selbstlernender Systeme müsse zukünftig eine Regelungsschnittstelle zwischen Produktsicherheit und Arbeitsschutz gewährleistet werden. Eine weitere Herausforderung stelle dabei der Arbeitsschutz bei ortsflexiblem Arbeiten dar. Hier seien gleichzeitig Chancen der Digitalisierung zu nutzen, die u. a. durch das ausbaufähige Vernetzungspotenzial oder innovative Arbeitsschutztools entstünden. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass in der digitalisiertenen Arbeitswelt der Arbeitsschutz gemeinsam und disziplinübergreifend gedacht werden müsse.
Zum Abschluss der Ergebnispräsentation gab Dr. Sophie-Charlotte Meyer einen Ausblick zur Verbreitung von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt. Aus den vorliegenden Daten gehe hervor, dass KI-Anwendungen bereits jetzt von einer substantiellen Gruppe von Beschäftigten genutzt würden. Allerdings unterscheide sich die Verbreitung je nach Anforderungs-, Qualifikations- und Digitalisierungsniveau deutlich. Die Anwendung von KI finde sich in den Daten bislang insbesondere auf der Ebene der individuellen Arbeitsmittel und weniger auf Organisationsebene.
Zum Abschluss der Veranstaltung leitete Dr. Lars Adolph die Podiumsdiskussion „Menschengerechte Arbeitsgestaltung im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz“. Neben der Präsidentin der BAuA nahmen die Experten Thorben Albrecht (IG Metall), Prof. Dr. Sascha Stowasser (ifaa) sowie Prof. Dr. Emmanuel Müller (TU Dortmund) teil. Bei der Diskussion traten insbesondere zwei Themenschwerpunkte in Bezug auf den Einzug von KI in der Arbeitswelt hervor. Einigkeit herrschte weitestgehend in dem Punkt, dass KI erklärbar sein müsse und gleichzeitig von Beschäftigten nicht einfach als „Blackbox“ hingenommen werden sollte. Hierfür bedürfe es allerdings eines hohen Maßes an Aufklärung sowie frühzeitig einsetzender Bildung in den Bereichen Informatik und KI bereits in Schulen. Zum anderen werde aufgrund der sich rasant entwickelnden Technologien ein prozessbegleitender Arbeitsschutz notwendig. Es reiche nicht aus, Entwicklungen abzuwarten, bevor die empirische Forschung aktiv werde und Erkenntnisse liefere. Alle Betroffenen, sowohl Beschäftigte und Betriebsräte als auch Arbeitsschützer, seien in Bezug auf KI und neue Technologien von Beginn an in Change-Prozesse einzubinden.