Analyse zum medizinischen Arbeitsschutz in den neuen Bundesländern
Seit der Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 werden die im Verlauf von 45 Jahren entstandenen Disproportionen zwischen den alten und neuen Bundesländern mehr und mehr in ihrer Vielschichtigkeit sichtbar. Das gilt vor allem für die Bereiche der Wirtschaft.
Während in den alten Bundesländern die leistungsfähige Wirtschaft durch den größeren innerdeutschen Markt ihre Potenzen ausschöpfen und einen weiteren kräftigen Aufschwung nehmen kann, müssen in den neuen Bundesländern ganze Industriezweige und Regionen neu gestaltet und gesunde, wettbewerbsfähige Infrastrukturen erst geschaffen werden, um auch hier die Lebensqualität der Menschen in adäquater Weise zu verbessern. Arbeits- und Gesundheitsschutz sind darin eingebunden.
In der ehemaligen DDR lag das Schwergewicht auf dem medizinischen Arbeitsschutz. Die sekundäre Prävention wurde ausgebaut, um die durch eine fehlgesteuerte Wirtschafts- und Investitionspolitik zunehmend vernachlässigte primäre Prävention und die damit einhergehenden negativen Einflüsse auf die Gesundheit der Beschäftigten zu kompensieren. Die Disproportionen im Arbeitsschutz zwischen neuen und alten Bundesländern ergeben sich aus dem unterschiedlichen Niveau der arbeitsplatzbezogenen Belastungssituation der Beschäftigten. In einer großen Zahl technologisch überalterter Betriebe waren die Arbeitnehmer der ehemaligen DDR insbesondere hinsichtlich traditioneller Risikofaktoren deutlich höher belastet. Darüber hinaus bestanden im Uranerz- und Kupferschieferbergbau spezifische Gesundheitsgefährdungen, für die es in den alten Bundesländern nichts Vergleichbares gibt. Neben der Bewältigung dieser Altlasten ist für die neuen Bundesländer davon auszugehen, daß sich aktuelle und zukünftige Problemfelder des Arbeitsschutzes mit den neu entstehenden Industrie- und Dienstleistungsbereichen konzentriert herausbilden werden. Dieser Prozeß sollte von interdisziplinärer arbeitswissenschaftlicher Forschung begleitet sein.
Die vorliegende Analyse beschreibt Defizite im medizinischen Arbeitsschutz in den neuen Bundesländern und versucht, Lösungsansätze für die kommenden Jahre zu markieren.
Aus vorhandenen Datenbeständen über Belastungen und Gesundheitsstörungen werden Erkenntnisse abgeleitet, die für die weitere Erforschung von arbeitsassoziierten Erkrankungen bedeutsam sein können.
Die Analyse fußt im wesentlichen auf drei Datensammlungen:
- Arbeitshygienischer Bericht des Jahres 1989.
(Die Datensammlung gestattet einen Überblick über gesundheitsgefährdende Belastungen in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten der ehemaligen DDR. Die Daten sind als genügend verläßlich einzuschätzen, denn die Betriebe waren zur Berichterstattung über die arbeitshygienische Situation gesetzlich verpflichtet, und die gemeldeten Daten wurden nach vorgegebenen Kriterien von den regionalen Arbeitshygieneinspektionen jährlich kontrolliert.) - Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen der Jahre 1983-1990.
(Die gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen waren standardisiert vorzunehmen, zu dokumentieren und auszuwerten. Zur Erfassung gelangten seit 1985 die Daten von jährlich mehr als 750.000 Untersuchungen.) - Datenspeicher Berufskrankheiten.
(im Datenspeicher Berufskrankheiten wurden alle in der ehemaligen DDR von 1973 bis 1990 anerkannten Berufskrankheiten nach einheitlichen Kriterien erfaßt und dokumentiert. Die SDAG Wismut führte eine eigene Dokumentation. Die vorliegende Analyse basiert auf Daten der Jahre 1982-1990.)
Für den Uranerzbergbau der SDAG Wismut liegen nur Daten über anerkannte Berufskrankheiten vor, nicht aber zum Arbeitshygienischen Bericht sowie zu Ergebnissen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen. Daten über arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zum Bereich Verkehrswesen standen - soweit sie vom ehemaligen Medizinischen Dienst des Verkehrswesens in eigener Regie erhoben wurden - für die Analyse nicht zur Verfügung. Ferner liegen keinerlei Angaben vor zu allen Bereichen der ehemaligen Ministerien für Nationale Verteidigung, des Innern sowie für Staatssicherheit, d. h. zu den Beschäftigten der Armee, der Polizei, des Zolls und der Staatssicherheit. Auch zu Arbeitsbedingungen von Strafgefangenen, die in Industriebetrieben und in der Bauwirtschaft eingesetzt waren, liegen keine Daten vor.
Von der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin wurden im Sommer 1991 aus 155 Betrieben, die noch zu DDR-Zeiten wegen der Überschreitung zulässiger arbeitshygienischer Grenzwerte eine befristete Ausnahmegenehmigung erhalten hatten oder in denen generell mit besonderen gesundheitlichen Gefährdungen zu rechnen war, Informationen zur Belastungssituation, hierzu eingetretenen Veränderungen sowie zum Stand der betriebsärztlichen Betreuung eingeholt.
Den Fachkräften für Arbeitssicherheit der Betriebe, den Werksärzten sowie den Mitarbeitern von Gewerbeaufsichtsämtern und Gewerbeärztlichen Diensten ist für ihr hilfreiches Mitwirken zu danken.
Die Analyse gliedert sich in die Teile
- Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz
- Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
- Berufskrankheiten
Detaillierte Datenübersichten in Form von Tabellen und Abbildungen ergänzen die Ausführungen. Für den Leser wird eine zusammenfassende Ergebnisübersicht aus den Analyseteilen dem Bericht vorangestellt.
Bibliografische Angaben
Titel: Analyse zum medizinischen Arbeitsschutz in den neuen Bundesländern.
2. Auflage.
Bremerhaven:
Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1993.
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Sonderschrift
, S 1)
ISBN: 3-929306-00-X, Seiten: 148, Papier
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