Psychosoziale Faktoren und betriebsärztliche Tätigkeit
Die betriebsärztliche Praxis muss laufend einem sich wandelnden Anforderungsprofil der Arbeitswelt angepasst werden. Zunehmend bestimmen Arbeitsinhalte und Arbeitsorganisation - und damit auch psychosoziale Faktoren - die gesundheitsrelevanten Folgen von Arbeit. Auf die Beschäftigung mit dieser Problematik sind Betriebsärzte häufig nicht vorbereitet. Deshalb wurden in einer schriftlichen Befragung von 440 Betriebsärzten (BÄ) aus 6 Bundesländern a) deren psychosoziale Kompetenz, b) das Ausmaß betriebsärztlicher Beschäftigung mit psychosozialen Fragestellungen und c) der Fortbildungsbedarf auf diesem Gebiet untersucht.
Ergebnisse: Psychosoziale Fragestellungen nahmen 17,6 % der betriebsärztlichen Arbeitszeit ein. Die häufigsten Probleme waren: Überlastung, Zeitnot, Arbeitsplatzunsicherheit und Kommunikationsprobleme im Team. Nahezu alle befragten Betriebsärzte schätzten ihre "persönliche psychosoziale Kompetenz" als hoch ein; für die "fachliche psychosoziale Kompetenz" galt dies nur bei der Hälfte der Teilnehmer. 92 % der Befragten sahen sich als Ansprechpartner bei psychosozialen Problemen von Beschäftigten im Einzelgespräch und 70 % als Konfliktvermittler. 17 % moderierten Gesprächsgruppen am Arbeitsplatz. Bei den Betriebsärzten bestand ein großer Wunsch nach einer psychosozialen Rollenintensivierung. Auch Personalvertretungen sowie die Beschäftigten sind nach Angaben der Befragten hieran interessiert. Nahezu sämtliche Befragten formulierten einen Bedarf nach besserer Fortbildung, insbesondere durch Informationsveranstaltungen, schriftliches Informationsmaterial und Schulungsangebote in medizinisch-psychologischer Diagnostik.
Schlussfolgerungen: Betriebsärzte sind für die Beschäftigung mit psychosozialen Faktoren mehrheitlich nicht speziell ausgebildet, nehmen sie jedoch dennoch häufig wahr und wünschen sogar eine Ausweitung. Aufgrund ihrer besonderen Position im Betrieb könnten Betriebsärzte eine bedeutende Ressource in Hinblick auf die betrieblichen psychosozialen Arbeitsbelastungen stellen. Dem Wunsch nach spezifischer Fortbildung sollte im Rahmen eines betriebsärztlichen Fortbildungskonzepts entsprochen werden. Zunächst ist jedoch eine Übersicht über derzeit laufende spezifische Fortbildungs- und Informationsangebote vonnöten.
Bibliografische Angaben
Titel: Psychosoziale Faktoren und betriebsärztliche Tätigkeit.
1. Auflage.
Bremerhaven:
Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 2003.
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschungsbericht
, Fb 1005)
ISBN: 3-86509-059-1, Seiten: 56, Projektnummer: F 5216, Papier, PDF-Datei
vergriffen