Heidelberger Mangan-Studie
Arbeitsmedizinische Feldstudie zur Frage neurotoxischer Effekte nach chronischer Mangan-Exposition im Niedrig-Dosis-Bereich
Ziele: Wesentliche Ziele der "Heidelberger Mangan-Studie" sind die Objektivierung der Mangan-Exposition sowie die Erfassung und Bewertung von Beanspruchungsreaktionen bei langjährig Mangan-exponierten Arbeitnehmern. Dabei soll vor allem untersucht werden, ob neurotoxische Befunde im Sinne eines "Manganismus" nachzuweisen sind. Ferner sind für die betriebsärztliche Praxis geeignete Untersuchungsverfahren für die sekundäre Prävention zu entwickeln.
Kollektiv und Methode: Im Rahmen einer multidisziplinären Querschnittsstudie wurden auf arbeitsmedizinischem, neurologischem, neuroradiologischem und neuropsychologischem Gebiet drei Teilkollektive (I bis III) untersucht.
Teilkollektiv I besteht aus N=103 aktuell berufstätigen Männern (N=68) und Frauen (N=35) eines Betriebes für die Herstellung von Trockenzellbatterien. Nach Anwendung von Ausschusskriterien konnten in der Auswertung die Daten von N=90 Arbeitnehmern in die verschiedenen statistischen Analysen aufgenommen werden. Aus diesem Kollektiv konnte eine Prüf- und Kontrollgruppe von jeweils N=11 männlichen Arbeitnehmern gebildet werden. Außerdem wurde ein individueller chronisch-kumulativer Belastungs-Index für die Beurteilung der - neben der ubiquitären - zusätzlichen beruflichen Manganbelastung erstellt.
Als Teilkollektiv II haben wir N=16 ehemalige Arbeitnehmer aus der Stahlproduktion untersucht. In der Prüf- und Kontrollgruppe dieses Kollektives konnten jeweils N=6 Teilnehmer gegenübergestellt werden.
Mit dem Teilkollektiv III sind die Untersuchungsresultate von N=3 ehemaligen Beschäftigten einer Braunsteinmühle kasuistisch dargestellt. Hierbei handelte es sich um langjährig relativ hoch Mangan-exponierte Personen.
Aufgrund der Sichtung der verschiedenen Arbeitsbereiche resultiert ein heterogenes Bild bezüglich der Expositionsbedingungen, der Art der inhalativ aufgenommenen Mangan-Exposition sowie der Expositionshöhen innerhalb der einzelnen Teilkollektive. Lediglich für das Teilkollektiv I existieren objektive Messwerte zur validen Abschätzung der chronischen Exposition. Aus diesem Grund ist die Frage nach dem Ausmaß und dem Umfang der Mangan-Exposition je nach dem untersuchten Kollektiv differenziert zu bewerten. Zu den eingesetzten Untersuchungsverfahren zählen:
- Luft- und Biomonitoring (Blut, Harn, Haar),
- neurologische (WRS)
- neuropsychologische (ANES)
- neurophysiologische (EEG, VEP, NLG) und
- neuroradiologische (MRT) Untersuchungen.
Eine Kontrolle der wesentlichen Selektions- und Störfaktoren wie Alter, Erkrankungen, Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme sowie ein vergleichbarer sozioökonomischer Status kann insbesondere im Teilkollektiv I erreicht werden. Die Ergebnisse und die Diskussion basieren daher im wesentlichen auf diesem Teilkollektiv.
Ergebnisse und Diskussion: Die Ergebnisse des Luftmonitorings im Betrieb unter Einsatz von stationären Probennahme-Verfahren belegen, dass von einer arbeitsmedizinisch relevanten Mangan-Exposition in der Trockenzellbatterieherstellung lediglich in Einzelfällen im sogenannten "Schwarzbereich" auszugehen ist. Die maximalen Konzentrationen betragen 0,8 mg/m³ Mangan im inhalierbaren Staub. Vorwiegend sind Mangan-Expositionen in der Luft im sogenannten "Niedrig-Dosis-Bereich", d. h. bei Konzentrationen um den Faktor 10 bzw. 100 unterhalb des aktuellen arbeitsmedizinischen Grenzwertes, festzustellen.
Das Biomonitoring ergibt als oberen Referenzwert (95. Perzentil) für Mangan im Blut eine Konzentration von 10 µg/L. Höhere Konzentrationen können somit Ausdruck des beruflichen Umgangs mit Mangan und seiner Verbindungen sein. Auch die Achselhaaranalyse kann zur Beurteilung der Belastung verwendet werden. Erwartungsgemäß liegt in den Biomonitoring-Parametern (Blut, Haar) in der Prüfgruppe eine höhere innere Mangan-Belastung vor. Die Urinanalyse ist aufgrund toxikokinetischer Aspekte zur Belastungserfassung nicht geeignet.
Relevante Funktionsstörungen des zentralen und peripheren Nervensystems können bei der körperlichen Untersuchung nicht erhoben werden.
Im Rahmen der ausführlichen neuropsychologischen und speziellen psychomotorischen Untersuchungen ergeben sich auf statistischer Gruppenbasis signifikante hypothesenkonforme Unterschiede im Bereich einzelner Befindlichkeitsangaben, insbesondere die Angabe von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen. Diese subjektiven Angaben werden durch leichte spezifischere kognitive Funktionseinbußen der höher Exponierten weiter objektiviert. Mittels spezieller psychomotorischer Untersuchungen insbesondere von alternierenden Bewegungsabläufen, lassen sich im Hinblick auf das zu erwartende Krankheitsbild weitere relativ spezifische Mangan-Effekte darstellen. Alterseffekte oder andere bedeutsame Einflüsse waren für diese Befunde nicht anzunehmen.
Die neurophysiologischen Untersuchungsbefunde zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede in den jeweiligen Messwertverteilungen. Eine vermehrte Häufung grenzwertiger oder auffälliger Befunde in den Prüfgruppen im Sinne einer funktionellen und/oder morphologischen Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems sind neurophysiologisch nicht ableitbar.
Nach visueller Auswertung der MRT-Bilder sind im Vergleich von Prüf- und Kontrollgruppe keine signifikanten morphologischen Unterschiede festzustellen. Auch in den Dosis-Effekt-Betrachtungen finden sich diese nicht. Im Hinblick auf eine innere oder äußere Hirnatrophie weisen die Gruppen keine Unterschiede auf. Dagegen lässt sich bei Auswertung der T1-gewichteten Signalintensitäten ein statistischer Zusammenhang im Gruppenvergleich und zwischen dem chronischen Belastungsindex mit dem "Pallidum-Index" bei den Männern korrelationsanalytisch und mittels multiplen linearen Regressionsanalysen sichern. Dieser Befund scheint daher besonders spezifisch im Sinne eines Mangan-induzierten Effektes zu sein, er zeigt keine signifikanten Assoziationen zu den anderen Untersuchungsbefunden.
Schlussfolgerungen: Für die Diagnosefindung einer beruflich bedingten Manganbelastung ist die Bestimmung der Mangan-Konzentration im Blut am besten geeignet.
Derzeit kann der Prognosewert der festgestellten neuropsychologischen und neuroradiologischen Befunde nicht abschließend beurteilt werden. Zur Beantwortung dieser aus arbeitsmedizinischer Sicht wichtigen Frage ist eine Längsschnittstudie erforderlich.
Das eingesetzte "Arbeitsmedizinisch-Neurotoxische Evaluierungs-System (ANES)" erwies sich im Betrieb für die arbeitsmedizinische Vorsorge als praktikabel. Die neuropsychologischen Methoden sind als ausreichend sensitiv und spezifisch für den Nachweis von leichten neurotoxischen Mangan-assoziierten Effekten zu bezeichnen.
Bibliografische Angaben
Titel : Heidelberger Mangan-Studie. Arbeitsmedizinische Feldstudie zur Frage neurotoxischer Effekte nach chronischer Mangan-Exposition im Niedrig-Dosis-Bereich
1. Auflage .
Bremerhaven:
Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 2001.
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschungsbericht
, Fb 928)
ISBN: 3-89701-764-4, Seiten: 316, Projektnummer : F 5022, Papier
vergriffen