Lateralsymmetrisches Modell der Lendenwirbelsäule zur Berechnung dynamischer Bandscheibenkräfte

Durch Einführung der Berufskrankheit 2110 BeKV wird dem schädigenden Potential von langandauernden Ganzkörperschwingungen für die Lendenwirbelsäule (LWS) Rechnung getragen. Dies erfordert sowohl die Beurteilung von bereits eingetretenen Schäden als auch die Beurteilung von Arbeitsplätzen im Sinne einer Schadensprävention. Dazu ist die Kenntnis der Beanspruchung der LWS - insbesondere der 3 kaudalen Lendenwirbel - erforderlich. Die Beanspruchung kann in Form von Schnittkräften (Kompressionskraft und Schubkraft) ausgedrückt werden. Diese Schnittkräfte sind jedoch am lebenden Menschen experimentell nicht bestimmbar, da das Einbringen von Meßaufnehmern in den Kraftfluß nicht möglich ist oder ethisch nicht vertreten werden kann. Es ist daher notwendig, die gesuchten Schnittkräfte rechnerisch mit Hilfe eines dynamischen Modells des sitzenden Menschen zu bestimmen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daher ein dynamisches, ebenes Finite-Elemente-Modell des sitzenden Menschen entwickelt, das die Berechnung der genannten Kräfte zuläßt. Das Modell basiert auf einer anatomienahen Abbildung des unteren Bereiches der Lendenwirbelsäule (L3 bis L5). Dieses LWS-Modell wird eingebettet in ein dynamisches Modell des oberen Torso mit Hals, Kopf und Armen sowie ein Modell des Körpers kaudal der LWS mit Becken, Gesäßgewebe und Beinen. Weiterhin wird eine einfache dynamische Abbildung des Bauchraumes verwendet. Alle Modellbestandteile beruhen auf einer Abbildung als starre Körper, die durch lineare Steifigkeitselemente (Federn) verbunden sind. Die dynamisch relevanten mechanischen Eigenschaften Trägheit und Steifigkeit werden also in unterschiedliche Modellelemente abgebildet. Die Modellierung der Energiedissipation erfolgt über die Zuordnung modaler Dämpfungsgrade zu den berechneten ungedämpften Eigenformen des Modells. Die Bestimmung aller Modellparameter orientiert sich an der Anatomie des Menschen, wobei teilweise auf bereits bekannte, detailliertere Modelle des sitzenden Menschen (BUCK, 1997) zurückgegriffen wird. Das Modell erlaubt weiterhin die Anpassung der Modellparameter an die Körpergröße und die Körpermasse der Person, deren Bandscheibenbeanspruchungen berechnet werden sollen. Das Modell liegt in drei Körperhaltungen vor, die sich am experimentellen Aufbau der Meßreihen der BAuA (SEIDEL et al., 1995) orientieren: Eine Standardhaltung mit aufrechtem Oberkörper und vor der Brust verschränkten Armen, eine Lenkradhaltung, wie sie typischerweise beim Steuern von Nutzfahrzeugen auftritt, und eine sog. Knüppelhaltung mit vorgeneigtem Oberkörper, wie sie bei Kranführern häufig vorkommt.

Das Modell wird anhand der Meßreihen der BAuA (SEIDEL et al., 1995) an drei ausgewählten Versuchspersonen verifiziert. Als Vergleichsgrößen werden dabei die Eingangsimpedanz und die Kopfübertragungsfunktionen in vertikale und horizontale Richtung verwendet (Frequenzbereich), sowie die Histogramm der Gesäßkraft als integrale Zeitbereichsgröße. Dabei werden im niedrigen Frequenzbereich bis ca. 8 Hz gute, im darüber liegenden Frequenzbereich befriedigende Übereinstimmungen mit den Meßergebnissen erzielt.

Mit Hilfe des Modells werden die Zeitverläufe der Schnittkräfte in der Lendenwirbelsäule für vier unterschiedliche Anregungs-Zeitverläufe für alle Versuchspersonen und Haltungen berechnet. Diese Zeitverläufe werden mit Hilfe des Klassengrenzenüberschreitungsverfahrens (BUXBAUM, 1988) aufbereitet und stehen damit direkt für eine Beurteilung der Dauer- bzw. Zeitstandsfestigkeit der Lendenwirbelsäule unter den untersuchten Anregungen zur Verfügung.

Bibliografische Angaben

Titel:  Lateralsymmetrisches Modell der Lendenwirbelsäule zur Berechnung dynamischer Bandscheibenkräfte. (Schlußbericht)

Verfasst von:  Buck, B.; Pankoke, S.; Wölfel, H. P.

1. Auflage.  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1997. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschungsbericht , Fb 770)

ISBN: 3-89429-999-1, Seiten: 184, Papier

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