Kommunikation, Flexibilität, Kooperation und Beteiligung: Diese Kernpunkte sind in unseren Szenarioworkshops zu den Lehren aus der COVID-19-Pandmie immer wieder aufgetaucht. Was heißt das konkret für stationäre Pflegeeinrichtungen? Welche Erkenntinsse gab es sonst?
Ein Beitrag von Maria Zink
Die COVID-19-Pandemie stellte Pflegeeinrichtungen vor immense Herausforderungen. Die psychische und physische Belastung des Pflegepersonals nahm drastisch zu, während gleichzeitig die Anforderungen an Hygiene und Organisation stiegen. Doch wie können wir aus diesen Erfahrungen lernen, um zukünftige Pandemien besser zu bewältigen? In unserem Forschungsprojekt "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen" untersuchen wir genau das. Im Mittelpunkt stehen arbeitsorganisatorische Maßnahmen, die Resilienz und Effizienz im Pflegealltag fördern sollen.
Im Juli und August 2024 luden wir zusammen mit Zukunftsforschenden zu zwei Szenario-Workshops an den Standorten Berlin und Dresden ein. Insgesamt konnten wir rund 40 sehr motivierte Teilnehmende aus Pflegepraxis und -forschung, Politik und Verwaltung sowie dem Bereich des Krisenmanagements für unser Thema gewinnen. Die Workshops lebten von dem offenen, interdisziplinären Austausch zwischen den Teilnehmenden. Dies freute uns besonders. In beiden Workshops wurden vier Kernthemen wiederholt an- und besprochen: Kommunikation, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Organisation, Schnittstellenzusammenarbeit und Kooperation sowie der Einbezug von Pflegepraktikerinnen in Entscheidungsprozesse. Siehe auch der Blogbeitrag "Krankenhäuser für künftige Pandemien stärken" für nähere Informationen zu den Workshop-Inhalten.
Kommunikation: Transparenz schafft Vertrauen
Ein zentrales Thema ist die Kommunikation. Die Pandemie zeigte, dass klare und transparente Informationswege unverzichtbar sind. Sowohl Pflegekräfte als auch Patientinnen und Patienten und Angehörige profitieren von einem verlässlichen Austausch. Besonders wichtig ist es, externe Vorgaben so zu präzisieren, dass sie intern gut verständlich und umsetzbar sind. Digitale Tools könnten hier unterstützen, indem sie die interne Kommunikation und die Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Gesundheitsämtern erleichtern.
"Wir haben immer versucht, ganz, ganz viel zu erklären. Auch unterschiedliche Sichtweisen darzustellen und zu sagen, warum wir zu dieser Prozessveränderung schlussendlich gekommen sind. Wir haben das nicht nur verbal gemacht, sondern wir haben ziemlich zu Beginn mit den ersten organisatorischen Veränderungen angefangen, den Newsletter im Haus zu schreiben. Nach jeder Sitzung der Krankenhauseinsatzleitung wurde der Newsletter an alle Mitarbeiter:innen der Tochterunternehmen, des Krankenhauses, der Berufsfachschule verschickt. Das machen wir seit zweieinhalb Jahren. Im Newsletter strukturieren wir alle Veränderungen, die sich aus den Einsatzleitungen ergeben, noch einmal und versuchen diese kurz und knapp darzustellen, damit jeder weiß: Ok, welche Station ist jetzt Isolierstation? Welche nicht mehr? Wie viele Betten gibt es dort? Wie sind die Zahlen aktuell? Gibt es die Möglichkeit, sich zu impfen oder nicht? Gibt es genug Schutzmaterial? Das finde ich eine ganz wichtige Strategie: ganz viel Transparenz zu schaffen für die Mitarbeiter:innen, damit die wenigstens nachvollziehen können, warum man sich verhält. Das führt nicht dazu, dass es alle gut finden und verstehen, aber sie haben wenigstens die Möglichkeit, nachzuvollziehen warum."
– Interview-Auszug: Pflegedirektor eines großstädtischen Krankenhauses
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Organisation
Krisenmanagement erfordert Flexibilität. Regelmäßige Aktualisierungen von Krisenplänen und die Entwicklung von Früherkennungssystemen über die potenzielle Pandemieentwicklung und deren Einfluss auf die Organisation waren zentrale Forderungen der Workshop-Teilnehmenden. Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen während der Pandemie wurde psychosoziale Unterstützung für das Pflegepersonal, etwa durch Supervisionen, ebenfalls als wichtiges Element hervorgehoben, um die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Pflegepersonen aufrechtzuerhalten.
"Also die Pflegearbeit hat sich als solche gar nicht so gravierend verändert, aber sie ist ergänzt worden durch viele Maßnahmen der persönlichen Prävention, aber auch der Infektionsprävention von Patient:innen. Das ist schlicht und ergreifend ein größerer Aufwand als früher, der on top dazu gekommen ist – zusätzlich zu einem Patientenklientel, was häufig wesentlich pflegebedürftiger war. Wir haben auch eine extrem hohe Flexibilität von unseren Mitarbeitern erwartet, was neu zusammengestellte Teams angeht, kurzzeitige Arbeitsstellenwechsel innerhalb des Unternehmens, Anpassung von Dienstplänen, Offenheit für ganz neue Prozesse, die dann von einem Tag auf den anderen sitzen mussten. Also da verlangen wir immer noch mehr, als was eigentlich leistbar ist."
– Interview-Auszug: Pflegedirektor eines großstädtischen Krankenhauses
Schnittstellen und Kooperation: gemeinsam stark
Pflegeeinrichtungen sind keine Inseln. Ein besserer Austausch zwischen Praxis, Politik und Wissenschaft kann dazu beitragen, Missstände schnell zu identifizieren, Missverständnisse zu vermeiden und praxisnahe Lösungen zu entwickeln. Regionale Netzwerke könnten helfen, Ressourcen zu bündeln und Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Digitale Infrastruktur wie Telemedizin bietet zusätzliche Möglichkeiten, die interne und externe Zusammenarbeit während Pandemiezeiten zu ermöglichen und den Alltag in der Pflege zu erleichtern.
"Nachdem es dann doch langsam eng wurde mit den Desinfektionsprodukten, hatte ich über unsere Apotheke die Firma [Firmenname] in [Ort in der Nähe der Langzeitpflegeeinrichtung] als Gesprächspartner an den Tisch bekommen. Die hatten auf der WHO-Grundlage Isopropanol hergestellt und gesagt: Wir unterstützen unsere regionalen Gesundheitseinrichtungen. Die haben Tatsache nur für regionale Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen Desinfektionsprodukte hergestellt, und wir haben die auch wirklich zu einem guten Preis bekommen."
– Interview-Auszug: Einrichtungsleitung einer ländlichen Langzeitpflegeeinrichtung
Einbezug von Pflegepersonen in Entscheidungsprozesse
Die Pandemie offenbarte ein Defizit: Pflegefachpersonen waren oft nur unzureichend in Entscheidungen eingebunden, die ihren Arbeitsalltag direkt betrafen. Eine stärkere Einbindung könnte über regionale oder eine bundesweite Pflegekammern oder die Teilnahme an Krisenstäben erfolgen. Solche Maßnahmen würden nicht nur die Akzeptanz fördern, sondern auch sicherstellen, dass politische Entscheidungen praxistauglich sind. Besonders in der Langzeitpflege sollten Krisenpläne nicht nur den Infektionsschutz, sondern auch ethische Fragen wie die Lebensqualität der Bewohnenden berücksichtigen.
"Und dann war es immer so, wo das dann wieder abgeflacht ist, da war ja dann immer reger Andrang: Wie war denn das so und können wir daraus was lernen? Wir haben immer viele Gespräche geführt, aber vor jeder Welle war es immer wieder wie vor der ersten. Das war immer das Schlimme. Scheinbar hat keiner daraus gelernt. Dann waren wieder die Schulen zu, wieder die Mitarbeiter:innen in der Quarantäne, wieder ein Haufen Testungen."
– Interview-Auszug: Pflegedirektor eines kleinstädtischen Krankenhauses
Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz ist gefragt
Die Ergebnisse der BAuA-Workshops zeigen: Um Langzeitpflegeeinrichtungen und Krankenhäuser besser auf zukünftige Krisen vorzubereiten, braucht es Maßnahmen auf Mikro-, Meso- und Makroebene. Von individueller Resilienzförderung der Mitarbeitenden über die Optimierung der Einrichtungsorganisation bis hin zur nationalen Pandemiestrategie – nur ein abgestimmtes Zusammenspiel kann nachhaltige Verbesserungen bringen. Durch Investitionen in digitale Infrastruktur, die kontinuierliche Weiterentwicklung von Krisenplänen und die Einbindung aller Beteiligten wird der Pflegebereich robuster und zukunftsfähiger.
Mit diesen Erkenntnissen können Langzeitpflegeeinrichtungen und Krankenhäuser gestärkt in die Zukunft blicken und sicherstellen, dass sie auch in kommenden Krisenzeiten handlungsfähig bleiben. In der Dezemberausgabe der Fachzeitschrift "Die Schwester Der Pfleger" findet sich ein ausführlicher Beitrag zu den Workshop-Ergebnissen von Dodo Vögler, Florence Zurfluh, Niels Jansen, Dr. Marlen Melzer und mir.
Zitiervorschlag
Zink, Maria 2025. Langzeitpflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in Krisenzeiten: Was wir aus der Pandemie lernen können. In: Neues aus den Projekten [online]. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Forschung/Projektblogs/Neues-aus-den-Projekten-Blog/Artikel/Krankenhaeuser-Pandemien2.html