Erfahrungen aus der Interviewstudie "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen"

Wie haben Pflegeeinrichtungen die Corona-Pandemie erlebt und bewältigt? Einblicke in Interviews mit Führungskräften aus der Pflege.
Ein Beitrag von Karin Fuchs und Rinat Saifoulline

Pflegekraft mit Maske im Flur einer Pflegeeinrichtung
© BAuA

Im BAuA-Forschungsprojekt "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen" führten wir als Mitarbeitende der Arbeitsgruppe "Human Factors and Resources" der HTW Dresden zusammen mit der BAuA-Kollegin Maria Zink leitfadengestützte Interviews mit Führungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen durch. Fragen, die wir durch die Interviewstudie beantworten wollten, waren unter anderem:

Welche Herausforderungen mussten beruflich Pflegende und deren Führungskräfte aufgrund der COVID-19-Pandemie bewältigen? Was waren gesundheitliche Folgen für die Führungskräfte?

Welche arbeitsorganisatorischen Strategien und Maßnahmen wurden in den Einrichtungen ergriffen, um den He­raus­for­de­rung­en entgegenzutreten? Wie haben sich diese bewährt?

Es gilt Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Arbeit in stationären Pflegeeinrichtungen menschengerecht gestaltet werden kann. Belastungen der beruflich Pflegenden und ihrer Führungskräften während einer Pandemie sollen verringert werden.

Für die Interviews konnten wir 31 Führungskräfte aus der stationären Krankenpflege (Krankenhäuser) und 22 Führungskräfte aus dem Bereich der stationären Langzeitpflege (Pflegeheime) gewinnen. Eine der insgesamt 17 teilnehmenden Gesundheitseinrichtungen befindet sich in Bayern, alle anderen sind in Sachsen verortet. Die ausgewählten Einrichtungen haben verschiedene Größen und werden durch unterschiedliche Trägerschaften geführt.

Eindrücke aus den Einrichtungen

In den Einrichtungen vor Ort wurden wir freundlich empfangen. In den Interviews war spürbar, dass die Interviewpartnerinnen und -partner sehr motiviert waren, uns umfangreich von ihrer Arbeit während der COVID-19-Pandemie zu berichten. Hier teilen wir erste Impressionen aus diesen Interviews.

Karin Fuchs mit einer Teilnehmenden während des Interviews
Karin Fuchs mit einer Teilnehmenden während des Interviews © BAuA

Herausforderungen in der Pandemiezeit

Vom Anfang der Pandemie an war die Arbeit in der stationären Pflege durch Unsicherheit und Angst geprägt. Die beruflich Pflegenden erzählten uns, sie hätten Angst gehabt, sich selbst oder Patientinnen und Patienten, Bewohnende sowie die eigene Familie mit COVID-19 anzustecken. Es herrschte große Unsicherheit bzgl. zukünftiger Entwicklungen. Zum einen fehlte anfangs Wissen über den Umgang mit der neuen Krankheit und die Erfahrung mit den entsprechenden Therapien. Zum anderen war eine ungewöhnlich hohe Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten bzw. Bewohnenden sehr herausfordernd.

"Der Umgang mit dem Tod und Sterben hat noch mal eine andere Bedeutung bekommen, wir hatten am Krankenhaus einen extra Kühlcontainer für Verstorbene, ich als Führungskraft habe oft selbst die Fahrten übernommen, da das die Mitarbeitenden oft nicht konnten"
– Pflegeleitung

Außerdem trug die sehr dynamische Pandemiesituation zu den erheblichen Problemen bei. So mussten die Führungskräfte die Dienstpläne aufgrund von Personalmangel und hohen Personalausfällen täglich neugestalten.

„Also jeden Tag ein Puzzle, kaum hatte man die Pläne erstellt, dann fiel das Ganze, weil sich wieder Mitarbeitende krankgemeldet haben, wie so ein Kartenhaus zusammen.“
– Teamleitung

Im Interview eingesetztes Bildmaterial "Darstellung der absoluten Fallzahlen an COVID-19-positiv-Getesteten im Zeitraum von März 2020 bis Mai 2022 und relevanten Ereignissen in Deutschland" © BAuA

Negative Auswirkungen von Mehrfachbelastungen

Das Zusammenwirken von mehreren Belastungen, wie größeres Arbeitspensum, körperliche und psychische Belastungen (Sterben, Tod, Angst), Belastungen durch das Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA), tägliche Dienstplanumstellungen und vieles mehr, führten über die verschiedenen Pandemiewellen hinweg zu Fehlbeanspruchungen beim Pflegepersonal. Dies wurde uns in vielen Interviews deutlich. Die Befragten berichteten nicht nur von bereits bekannten Beschwerden wie Schlafstörungen, psychischen und psychosomatischen Beschwerden, sondern auch von Betroffenheit durch die COVID-19-Erkrankung.

Teamwork in der Pandemiezeit

Eine der stärksten Ressourcen in der Pflege, die Teamarbeit, machte es laut Aussagen der Führungskräfte möglich, die Pandemiezeit zu überstehen. Viele Befragte hoben Verbesserungen in den Bereichen Teamarbeit, Kommunikation und interprofessionelle Zusammenarbeit hervor. Weitere unterstützende Ressourcen waren höhere Flexibilität der Organisation und der Mitarbeitenden sowie Fortschritte bei der Digitalisierung.

Einige Maßnahmen

Die Führungskräfte beschrieben uns verschiedene Maßnahmen, mit denen sie der Pandemie entgegenwirkten. Eine der wichtigsten Maßnahmen war die konsequente Umsetzung der Hygienestrategie, insbesondere die verschiedenen Formen der Teststrategie.

"Bei der Auswahl der Schutzausrüstung wurden Mitarbeitende miteinbezogen, welche Materialien zum Einsatz kommen, die Mitarbeitenden müssen diese ja tragen!"
Heimleitung

Weiterhin wurden Arbeitsabläufe und Strukturen verändert. So wurden beispielsweise für die Ausfälle Hintergrunddienstpläne erstellt. Stationen wurden zusammengelegt oder mussten sogar geschlossen werden. Teilweise übernahmen Servicepersonal, ehrenamtlich Mitarbeitende, Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr oder Zeitarbeitskräfte einfache Pflegeleistungen bzw. Betreuungsaufgaben zur Unterstützung der Pflegenden.

Forschungskooperation

Unsere Kooperation zwischen dem Projektteam um Dr. Marlen Melzer von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und dem interdisziplinären Team der Arbeitsgruppe "Human Factors and Resources" (HFR) der HTW Dresden entstand für das BAuA-Projekt "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen". Die Arbeitsgruppe HFR betreibt angewandte Forschung zur Gestaltung von gesunderhaltender und guter Arbeit und zur sich ändernden Rolle des Menschen im Arbeitsleben. Das Projektteam der Forschungsgruppe unter der Leitung von Professor von der Weth besteht aus der Pflegemanagerin Karin Fuchs und dem Arbeitswissenschaftler Rinat Saifoulline.

Gruppenbild des Projektteams
Projektteam der Forschungskooperation: Rüdiger von der Weth, Johannes Wendsche, Rinat Saifoulline, Maria Zink (hintere Reihe, v.l.n.r.); Regina Thorke, Karin Fuchs, Marlen Melzer, Laura Bachmann (vordere Reihe, v.l.n.r.) © BAuA/Saskia Gustedt

Wir danken herzlich allen Interviewpartnerinnen und -partnern für das Vertrauen und die vielen wertvollen Informationen, die wir im Weiteren noch systematisch auswerten werden.

Zitiervorschlag

Fuchs, Karin und Saifoulline, Rinat 2023. Erfahrungen aus der Interviewstudie "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen". In: Neues aus den Projekten [online]. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Forschung/Projektblogs/Neues-aus-den-Projekten-Blog/Artikel/Interviews-Pandemie-Pflegeeinrichtungen.html

Forschungsprojekt