Brand- und Explosionsgefährdung

Diesen Inhalt als PDF herunterladen

Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle

Rangfolge der Maßnahmen im Explosionsschutz

Die Festlegung von Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen erfolgt auf Grundlage des Branddreiecks. Dabei ist nach Gefahrstoffverordnung folgende Rangfolge zu beachten.

  1. Gefährliche Mengen oder Konzentrationen von Gefahrstoffen, die zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können, sind zu vermeiden. Dies kann erfolgen durch

    • Austausch von brennbaren Gefahrstoffen mit nicht brennbaren,
    • Mengen- oder Konzentrationsbegrenzung von brennbaren Stoffen, um die untere Explosionsgrenze einzuhalten,
    • Absaugung von brennbaren Stoffen an der Entstehungsstelle,
    • Inertisierung.
  2. Zündquellen oder Bedingungen, die Brände oder Explosionen auslösen können, sind zu vermeiden.
  3. Schädliche Auswirkungen von Bränden oder Explosionen sind so weit wie möglich zu verringern.

Maßnahmenempfehlung nach EMKG

Mit den Eingangsparametern

  1. Gefährlichkeitsgruppe (GG) Brand und Explosion
  2. Freisetzungsgruppe
  3. Mengengruppe

wird anhand von Tabelle 3.4-8 eine von drei Maßnahmenstufen ermittelt und abgeleitet, wann weitere Beratung erforderlich ist. Die Maßnahmenstufen des EMKG werden durch Schutzleitfäden [4] konkretisiert.

Tab. 3.4-8 Entscheidungstabelle – EMKG-Modul Brand und Explosion

Tab. 3.4-8 Entscheidungstabelle – EMKG-Modul Brand und Explosion

Maßnahmenempfehlungen nach EMKG sind:

Maßnahmenstufe 1

Für Maßnahmenstufe 1 reichen die konsequente Anwendung einer guten Arbeitspraxis und Hygienestandards aus. Diese sind im EMKG in den Schutzleitfäden Reihe 100 beschrieben. Sie beschreiben die notwendigen Basismaßnahmen zum Schutz vor Gefahrstoffen. Bei mangelnder Hygiene kann es leicht zu Staubablagerungen kommen. Ein guter Hinweis auf zu viel Staub sind sichtbare Hand- oder Fußabdrücke. Eine gleichmäßige Staubschicht von weniger als 1 mm Schichtdicke reicht aus, um beim Aufwirbeln einen Raum vollständig mit einem explosionsfähigen Staub-Luft-Gemisch auszufüllen.

Liegt ein fester Gefahrstoff mit der Freisetzungsgruppe "mittel" oder "hoch" vor, sollte ab dem "kg-Bereich" auch der Schutzleitfaden 240 "Staubarbeitsplätze" beachtet werden. Empfehlenswert ist es, die Schutzleitfäden der Reihe 100 arbeitsbereichsbezogen für den gesamten Betrieb umzusetzen und zu dokumentieren. Alle weiterführenden Maßnahmen sind nur wirksam, wenn ein guter Organisations- und Hygienestandard im Betrieb etabliert ist.

Maßnahmenstufe 2

Die Maßnahmen der Maßnahmenstufe 2 sind in den Schutzleitfäden der Reihe 200 beschrieben. Diese umfassen verschiedene Maßnahmenpakete.

Erweiterte Brandschutzmaßnahmen (Schutzleitfaden-Reihe pc-27X)

In diesen Schutzleitfäden sind bauliche Anforderungen beschrieben, wie feuerbeständige Trennwände und verkürzte Fluchtwege. Außerdem gehören dazu technische und organisatorische Maßnahmen, die für eine ständige Branderkennung und -meldung von Bränden sorgen. Das richtige Verhalten in einem solchen Fall wird in Alarm-, Flucht- und Rettungsplänen beschrieben.

Emissionsmindernde Maßnahmen (Schutzleitfaden-Reihe 200 aus Modul Einatmen)

Die Freisetzung der Gefahrstoffe bzw. die Bildung explosionsfähiger Atmosphäre ist auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren. Dafür können die Maßnahmen eingesetzt werden, die auch beim Einatmen die Freisetzung von Gefahrstoffen begrenzen, z. B. eine Absaugung.

Vorbeugender Explosionsschutz und Zündquellenvermeidung (SchutzleitfadenReihe pc-28X)

Nur in wenigen Fällen kann eine Absaugeinrichtung den Gefahrstoff vollständig erfassen und somit eine explosionsfähige Atmosphäre verhindern. Deshalb enthält das Modul zusätzliche Vorgaben zum vorbeugenden Explosionsschutz und zur Zündquellenvermeidung. Die Schutzmaßnahmen zum vorbeugenden Explosionsschutz sind im Schutzleitfaden pc-280 für alle Tätigkeiten zusammengefasst. Spezifische Schutzleitfäden zur Zündquellenvermeidung enthält die Reihe pc-28x, in denen in Abhängigkeit von der Tätigkeit und der Gefahrstoffeigenschaft die Schutzmaßnahmen beschrieben sind.

Eine Zündquelle liefert die notwendige Startenergie; der Brennstoff reagiert mit dem Sauerstoff. Zündquellen, die Brände oder Explosionen auslösen, sind zu vermeiden. Das EMKG bietet neben den Schutzleitfäden eine Hilfestellung zur Zündquellenidentifizierung und -vermeidung [4].

Häufige Zündquellen sind z. B.:

  • Flammen (offenes Feuer, Zigaretten, Glutnester, Schweißfunken, Brenner)
  • heiße Oberflächen (Motoren, Heizungen, Heizstrahler, Fön)
  • elektrische Energie (Licht, Lichtschalter, Klingel, elektrische Geräte)
  • Lichtbögen (Schweißen)
  • mechanisch erzeugte Funken (durch funkenreißendes Werkzeug)
  • elektrostatische Aufladung (Schuhe)
  • Strahlung: ionisierende, elektromagnetische (Handy, Funkgerät)
  • Ultraschall
  • chemische Reaktionen

Flammen zählen zu den wirksamsten Zündquellen, da sie eine sehr hohe Temperatur von mehr als 400 °C aufweisen. Daher sind sie ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen in allen explosionsgefährdeten Bereichen verboten. Dies muss vor allem bei Instandhaltungs- oder Feuerarbeiten mit Bunsenbrennern, Feuerzeugen oder Schweiß- und Schneidgeräten berücksichtigt werden. Solche Arbeiten sind grundsätzlich in einem Freigabeverfahren zu regeln, z. B. durch einen Heißerlaubnisschein.

Kommt eine explosionsfähige Atmosphäre mit einer heißen Oberfläche in Berührung, kann diese entzündet werden. Beispiele für heiße Oberflächen sind Heizplatten, Gehäuse von bewegten Teilen, Heizungen, Reibungskupplungen, Lampen oder Motorengehäuse.

Entladung statischer Elektrizität kann zur Entzündung einer explosionsfähigen Atmosphäre führen. Ein Beispiel hierfür ist die Entladung aufgeladener Teile oder Personen; z. B. reicht die Aufladung über nicht ableitfähige Schuhe als Zündquelle aus. Diese Entladung tritt insbesondere bei Um- oder Abfüllvorgängen, Schüttgüterentladungen oder schnellen Trennvorgängen, wie dem Abziehen von Folie auf. In explosionsgefährdeten Bereichen ist darauf zu achten, dass keine isolierten Materialien verwendet werden und ableitfähige Materialien immer geerdet sind. Weitere Hinweise zur Vermeidung von statischer Elektrizität werden in Kapitel 2.2 Statische Elektrizität behandelt. In diesem Kapitel wird auf ihre direkte personengefährdende Wirkung eingegangen, z. B. durch elektrischen Schlag und sekundäre Unfälle durch Schreckreaktionen.

Bei den chemischen Reaktionen als Zündquelle sind vor allem selbsterhitzungsfähige und pyrophore Stoffe, organische Peroxide, aber auch Gefahrstoffe, die mit Wasser reagieren, zu nennen. Auch Stoffe mit extremen pH-Werten wie starke Säuren und Basen können unter starker Wärmeentwicklung reagieren. Zu erkennen sind solche Gefahrstoffe daran, dass sie wegen ihrer Ätzwirkung auf die Haut eingestuft sind.

Ein nützliches Instrument zur Verhinderung der Zündung explosionsfähiger Atmosphäre kann bei stationären Arbeitsplätzen und Anlagen die Zoneneinteilung sein. Nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens explosionsfähiger Atmosphäre wird die Zone festgelegt und eine Gerätekategorie zugeordnet. Darüber können geeignete ex-geschützte Geräte beschafft werden, siehe Tabelle 3.4-9.

Tab. 3.4-9 Zoneneinteilung und Einteilung der in ihnen zu verwendenden Geräte nach EU-Richtlinie 2014/34/EU
Gefährliche explosionsfähige AtmosphäreZone Gase, DämpfeGerätekategorieZone StäubeGerätekategorieZündquellenfreiheit
ständig, langzeitig01G201DGerät stellt bei unvorhersehbaren, seltenen und vorhersehbaren Betriebsstörungen bei bestimmungsgemäßem Betrieb keine Zündquelle dar.
gelegentlich oder häufig12G212DGerät stellt bei vorhersehbaren Betriebsstörungen und bestimmungsgemäßem Betrieb keine Zündquelle dar.
selten und kurzzeitig23G223DGerät stellt bei be-stimmungsgemäßem Betrieb keine Zündquelle dar.

Maßnahmenstufe 3

Hier liegt ein hoher Maßnahmenbedarf zum Schutz vor Brand- und Explosionsgefährdungen vor. Empfohlen werden, aufbauend auf den allgemeinen Organisations- und Hygienemaßnahmen der Reihe 100:

  • hohe Brandschutzmaßnahmen
  • geschlossenes System
  • konstruktiver Explosionsschutz
  • anlagenbezogene oder tätigkeitsspezifische Zündquellenvermeidung mit erhöhter Sicherheit

Das EMKG-Modul Brand und Explosion enthält einen Schutzleitfaden zu hohen Brandschutzmaßnahmen (pc-370), der mit den anderen Schutzleitfäden der Reihe 300 kombiniert werden kann. Geschlossene Systeme bieten zudem die Möglichkeit zur Druckabsenkung und Inertisierung. Dadurch kann die Gefährdung weiter verringert werden. Kann trotz aller Maßnahmen nicht sicher ausgeschlossen werden, dass eine Explosion auftritt, muss das Schadensausmaß mit Maßnahmen des konstruktiven Explosionsschutzes minimiert werden. Dazu ist in der Regel eine Beratung durch Experten notwendig.

Maßnahmenstufe 4

Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die auch ohne Luft explosionsfähig oder explosionsgefährlich sind, besteht eine besonders hohe Brand- und Explosionsgefährdung. Dazu gehören vor allem explosive Stoffe und Gemische, Erzeugnisse mit Explosivstoff (z. B. Sprengstoff, Pyrotechnik) sowie selbstzersetzliche Stoffe und Gemische und organische Peroxide. Im EMKG-Modul Brand und Explosion sind diese den Gefährlichkeitsgruppen pc-D und pc-E zugeordnet. Hier sind zusätzlich sowohl die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung und für explosionsgefährliche Gefahrstoffe (Gefährlichkeitsgruppe pc-E) auch die des Sprengstoffgesetzes zu beachten.
Da diese Gefahrstoffe auch ohne Luft explodieren können, hängt die Höhe der Explosionsgefährdung nicht von der Freisetzung, sondern nur von der Menge ab. Für die Gefährdungsbeurteilung ist ein spezielles Fachwissen erforderlich, das nicht über Schutzleitfäden abgedeckt werden kann. Als Hilfestellung gibt es Technische Regeln, Handlungsempfehlungen und Fortbildungsveranstaltungen der Unfallversicherungsträger und der Bundesländer. Empfehlenswert ist die Beratung durch Brand- und Explosionsschutz- und ggf. Sprengstoffexperten. Weitere Informationen zu diesen Gefahrstoffen finden sich im Kapitel Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände.

Wirksamkeitskontrolle

Die Wirksamkeitskontrolle kann mithilfe der EMKG-Schutzleitfäden erfolgen. Außerdem sind regelmäßige Sicht- und Funktionskontrollen erforderlich, z. B. auf Störgeräusche und offensichtliche Mängel an Arbeitsmitteln.

Ab der Maßnahmenstufe 2 muss auch die Wirksamkeit der emissionsmindernden Maßnahmen wie raumlufttechnische Anlagen und Absaugungen regelmäßig überprüft werden. Nach Gefahrstoffverordnung ist dieses mindestens alle drei Jahre erforderlich, bei Einrichtungen zum Abscheiden, Erfassen und Niederschlagen von Stäuben z. B. Absauganlagen jährlich.

Für die getroffenen Maßnahmen zum Explosionsschutz stellt die Betriebssicherheitsverordnung weitere Anforderungen an die Wirksamkeitsprüfung. Gemäß BetrSichV Anhang 2, Abschnitt 3 ist durch eine befähigte Person zu prüfen, ob alle im explosionsgefährdeten Bereich vorgesehenen Arbeitsmittel und die Arbeitsumgebung sowie die Maßnahmen zum Schutz Dritter die Explosionssicherheit gewährleisten. Die Prüfungen haben das Ziel, den Schutz vor Explosionen und Bränden mindestens bis zur nächsten Prüfung sicherzustellen. Die befähigte Person hat

  • eine einschlägige technische Berufsausbildung oder eine andere für die vorgesehenen Prüfungsaufgaben ausreichende technische Qualifikation
  • mindestens eine einjährige Erfahrung mit der Herstellung, dem Zusammenbau, dem Betrieb oder der Instandhaltung der zu prüfenden Anlagen oder Anlagenkomponenten in Bezug auf Explosionsschutz
  • Kenntnisse über Explosionsgefährdungen durch Teilnahme an Schulungen oder Unterweisungen und hält diese auf aktuellem Stand.

Wenn Geräte, Schutzsysteme oder Sicherheits-, Kontroll- oder Regelvorrichtungen einer Gerätekategorie der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU entsprechen, sind diese vor Inbetriebnahme, nach prüfpflichtigen Änderungen, nach Instandsetzung und durch wiederkehrende Prüfung durch eine befähigte Person zu prüfen. Diese benötigt neben einer der Prüfaufgabe entsprechenden Qualifikation auch eine behördliche Anerkennung. Außerdem verfügt sie über die für die Prüfung erforderlichen Prüfeinrichtungen. Diese Prüfung kann nach der Instandsetzung durch den Hersteller durchgeführt werden. Der Hersteller muss bestätigen, dass das Gerät, das Schutzsystem oder die Sicherheits-, Kontroll- oder Regelvorrichtung in den für den Explosionsschutz wesentlichen Merkmalen den Anforderungen der Explosionsschutzverordnung entspricht, die die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU in Deutschland umsetzt.

Weitere Anforderungen an "Prüfungen und Kontrollen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen" sind in den Teilen 1 bis 4 der TRBS 1201 aufgeführt. Diese sind mit bestimmten Ausnahmen von zugelassenen Überwachungsstellen durchzuführen. Die BAuA hat eine Liste mit zugelassenen Überwachungsstellen auf ihrer Homepage veröffentlicht [5].

nach oben