Prozessschritte der Gefährdungsbeurteilung
Schritt 3: Gefährdungen beurteilen
Die ermittelten Gefährdungen sind systematisch dahingehend zu beurteilen, ob bereits getroffene Maßnahmen ausreichend sind bzw. ob weitere Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Dabei sind die Gefährdungen sowohl einzeln als auch im Zusammenhang zu beurteilen.
Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
Bei der Beurteilung, welche Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich sind, ist auf die zu erreichenden Schutzziele Bezug zu nehmen. Diese können unterschiedlich sein: Bei einigen Gefährdungsfaktoren ist die Beseitigung oder Minimierung das Schutzziel, z. B. bei mechanischen Gefährdungen. Bei anderen Gefährdungsfaktoren ist eine Optimierung das Ziel, z. B. bei psychischer Belastung oder bei der Bewertung des Klimas am Arbeitsplatz.
Bei der Ermittlung bzw. Festlegung der Beurteilungsmaßstäbe ist folgende Reihenfolge zugrunde zu legen:
- Es ist zu prüfen, ob in Arbeitsschutzverordnungen und Technischen Regeln Beurteilungsmaßstäbe in Form von Maßen, Grenzwerten und Beurteilungsmethoden festgelegt sind. In spezifischen Technischen Regeln sind die Beurteilungsmaßstäbe mit konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen verknüpft, z. B bei Gefahrstoffen nach TRGS 420 beschriebenen verfahrens- und stoffspezifischen Kriterien für bestimmte Tätigkeiten und Branchen. Technische Regeln entsprechen dem Stand der Technik und haben Vermutungswirkung, d. h., setzt der Arbeitgeber die Vorgaben um, sind die Anforderungen der jeweiligen Verordnung erfüllt.
- Sofern in Arbeitsschutzverordnungen und Technischen Regeln keine konkreten Beurteilungsmaßstäbe oder Arbeitsschutzmaßnahmen zu finden sind, ist zu prüfen, ob für die betrachtete Gefährdung andere branchen- oder tätigkeitsspezifische Handlungsempfehlungen existieren. Sie entsprechen nicht notwendigerweise dem Stand der Technik und haben keine Vermutungswirkung. Deshalb ist in diesen Fällen zu prüfen, ob sie aktuell sind und sich auf den Stand der jeweiligen Verordnung und den gültigen Beurteilungsmaßstäben beziehen. Es sollten Angaben enthalten sein, welche Gefährdungen diese Handlungsempfehlung nicht abdeckt und daher zusätzlich zu ermitteln sind. Die zugrunde gelegten Ermittlungen und Ergebnisse sollten nachvollziehbar dokumentiert sein. Anwendungshinweise für den Arbeitgeber z. B. zur Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen sollten enthalten sein. Diesen Qualitätsansprüchen genügen in der Regel z. B. Empfehlungen der Arbeitsschutzausschüsse, DGUV Vorschriften, Regeln, Informationen und Grundsätze, Veröffentlichungen der Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer sowie Erkenntnisse der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder auch Normen.
Wenn anhand der in den Nummern 1 und 2 beschriebenen Vorgehensweise keine geeigneten Schutzmaßnahmen festgelegt werden können, sind vom Arbeitgeber eigenständig Schutzziele zu entwickeln und anzuwenden. Dabei sind insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Art, Ausmaß und Dauer und Häufigkeit einer Exposition,
- gefahrbringende Bedingungen, durch die eine Gefährdung bei der Arbeit wirksam werden kann (z. B. Umgebungsbedingungen, Zeitdruck, Unordnung, Verschleiß),
- durch Qualifikation und Unterrichtung oder Unterweisung erworbene Befähigung der Beschäftigten, eine Gefährdung rechtzeitig wahrzunehmen und einschätzen zu können.
Die Beurteilung der ermittelten Gefährdungen kann mittels eines speziellen Verfahrens, z. B. mit der Risikomatrix nach NOHL, vorgenommen werden (Abbildung 2-2). Dabei ist auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadens und der möglichen Schwere des Schadens einzuschätzen, ob das vorhandene Risiko akzeptabel ist. Auf Grundlage der Matrix wird für jede ermittelte Gefährdung eine Maßzahl bestimmt, über die der Bedarf an Maßnahmen zur Risikominderung abgeleitet werden kann.
Die eigenständige Festlegung betrieblicher Beurteilungsmaßstäbe sowie die Ableitung erforderlicher Schutzmaßnahmen erfordern umfassende Sach- und Fachkenntnisse, sodass im Bedarfsfall externe Fachkräfte hinzugezogen werden sollten.
Ausführliche Informationen zu den einzelnen Gefährdungsfaktoren enthält Teil 2 des Handbuches. Teil 3 des Handbuches enthält qualitätsgesicherte branchenbezogene, arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Handlungshilfen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen.