Körperzwangshaltung
Ermittlung und Beurteilung
Methoden
Zur Ermittlung und Beurteilung der körperlichen Belastung durch Körperzwangshaltung stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung. Sie reichen von Checklisten und Screeningmethoden bis zu messtechnischen Analyse- und Bewertungsverfahren. Erläuterungen und Übersichten zu den Verfahren finden sich z. B. im Forschungsbericht des BAuA/DGUV-Projektes MEGAPHYS, in der DGUV Empfehlung sowie der DGUV Information 208-033. Die Leitmerkmalmethode "Körperzwangshaltung" (LMM-KH) wird als Screeningverfahren für die praxisnahe Beurteilung zur Anwendung empfohlen.
Grenzwerte und weitere Beurteilungsmaßstäbe
Es gibt keine rechtsverbindlichen Grenzwerte für maximal akzeptierte oder tolerierte Werte andauernder statischer Haltungsarbeit bei der Körperzwangshaltung. Da die Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems bei der Körperzwangshaltung von der Zeitdauer, dem Typ der Zwangshaltung und den Ausführungsbedingungen abhängt, sind diese Faktoren in ihrer Kombination zu beachten. Als Orientierungswert wird aus arbeitswissenschaftlicher Sicht angegeben, dass ca. 10 % der Maximalkraft der jeweils beanspruchten Muskulatur bei statischer Haltearbeit nicht dauerhaft überschritten werden sollte. In der Betriebspraxis gegebenenfalls vorhandene Daten zu maximalen Aktionskräften in Newton sind aus verschiedenen Gründen nur wenig hilfreich. So lassen sich statische (isometrische) maximale Aktionskräfte im Finger- und Handbereich nicht einfach auf dynamische Kraftaufwendungen übertragen. Darüber hinaus haben solche Daten meist nur Gültigkeit für die jeweils untersuchte Körper- und Gelenkstellung. Kommt es bei einer zu beurteilenden Tätigkeit zu Abweichungen oder ändern sich Gelenkstellungen z. B. bei dynamischen Tätigkeiten während der Kraftausübung, haben diese Daten nur noch eine sehr begrenzte Aussagekraft. Zudem ist es unter Praxisbedingungen häufig kaum möglich, die für bestimmte Bewegungen tatsächlich benötigten Kräfte objektiv und reproduzierbar zu messen.
Einen wesentlichen Maßstab zur Beurteilung der Belastung durch Körperzwangshaltung setzt die ArbMedVV in Verbindung mit der AMR 13.2. In der ArbMedVV, Anhang Teil 3 Abs. 2 Nr. 4c sind Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen im Knien, in langdauerndem Rumpfbeugen oder -drehen oder in vergleichbaren Zwangshaltungen als Anlass für Angebotsvorsorge ab einer wesentlich erhöhten Belastung bezeichnet. Die AMR 13.2 definiert den Begriff der wesentlich erhöhten (und höheren) Belastung. Bei "wesentlich erhöhter" Belastung sind körperliche Überforderung sowie Beschwerden (Schmerzen) ggf. mit Funktionsstörungen (reversibel ohne Strukturschäden) möglich. Bei "hoher" Belastung ist eine körperliche Überforderung wahrscheinlich, stärker ausgeprägte Beschwerden und/oder Funktionsstörungen sowie Strukturschäden mit Krankheitswert sind möglich. Beim Arbeiten in Körperzwangshaltungen liegt entsprechend AMR 13.2 dann eine Tätigkeit mit wesentlich erhöhter körperlicher Belastung oder höher vor, wenn bei der Beurteilung mit der Leitmerkmalmethode "Körperzwangshaltungen" der Gesamtpunktwert den Risikobereich 3 erreicht oder überschreitet (ab 50 Punkte). Wird im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eine wesentlich erhöhte oder höhere körperliche Belastung festgestellt, ist arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten. Unabhängig davon sind vorrangig arbeitsplatzbezogene und allgemeine Präventionsmaßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation zu prüfen und einzuleiten. Darauf wird in der AMR 13.2, Abschnitt 5 D explizit hingewiesen.
Auf Normen und Empfehlungen für die Arbeitsplatzgestaltung wird im Abschnitt "Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle" eingegangen.
Für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind u. a. das Mutterschutzgesetz (MuSchG) § 11 Abs. (5) und Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) § 22 Abs. (1) 1 zu beachten. Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie körperlichen Belastungen oder mechanischen Einwirkungen in einem Maß ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Jugendliche dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, die ihre physische oder psychische Leistungsfähigkeit übersteigen.
Für schwangere Frauen gelten folgende Konkretisierungen:
In § 11 Abs. (5) 3 und (5) 4 Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind Regelungen für schwangere Frauen in Bezug auf Körperzwangshaltungen enthalten. Der Arbeitgeber darf schwangere Frauen nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft keine Tätigkeiten ausführen lassen, bei denen sie überwiegend bewegungsarm ständig stehen muss und wenn diese Tätigkeit täglich vier Stunden überschreitet. Außerdem sind Tätigkeiten untersagt, bei denen sie sich häufig erheblich strecken, beugen, dauernd hocken, sich gebückt halten oder sonstige Zwangshaltungen einnehmen muss.