Eine Studie zur Untersuchung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen zwischen Arbeitsbedingungen, mentaler Gesundheit und Arbeits- und Funktionsfähigkeit
Hintergrund
Die Studie zur Mentalen Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA) untersucht den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen, mentaler Gesundheit und Funktionsfähigkeit. Sie ist als Panelstudie angelegt und wird von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführt. Es werden verschiedene Faktoren für die Erwerbsteilhabe und den Verbleib im Erwerbsleben untersucht, u.a. der Einfluss von Gesundheit, Funktionsfähigkeit sowie von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Dabei erfolgt eine breite Erfassung von mentaler Gesundheit auf Basis eines erweiterten Verständnisses, z. B. unter Einbeziehung positiver Indikatoren sowie der Funktionsfähigkeit (siehe dazu Mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit). Aufgrund des Paneldesigns im Sinne einer wiederholten Befragung der gleichen Personen im Längsschnitt ist zudem eine umfangreiche Betrachtung von Erwerbsbiografien möglich. Die Studie trägt so zur Schließung von Forschungslücken in Deutschland bei.
Bedeutung der Studienergebnisse für die Praxis
Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Arbeit, Gesundheit, Funktionsfähigkeit und Erwerbsteilhabe ermöglichen der Politik in den Bereichen Arbeit und Beschäftigung, evidenzbasiert Entscheidungen zur nachhaltigen Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit eines möglichst großen Teils der Bevölkerung zu treffen. Die Erkenntnisse aus S-MGA lassen sich für die Gestaltung von Maßnahmen und Programmen zur Förderung und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit (Prävention) nutzen, da z. B. Hinweise auf gefährdende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (z. B. Mobbing), aber auch gesundheitsförderliche Faktoren erkannt und genutzt werden können.
Die Ergebnisse der Studie sind interessant für die Arbeitsverwaltung (Arbeitsagenturen, Jobcenter), die Rentenversicherung und die Gesetzliche Unfallversicherung, etwa in Bezug auf arbeitsmedizinische Untersuchungen. Neben dem Einsatz für den Verbleib im Erwerbsleben liefert die Studie wichtige Ergebnisse für Teilhabechancen von Personen mit eingeschränkter Funktionsfähigkeit.
Methode
Bevölkerungsrepräsentative Stichprobe in Deutschland
Die Grundgesamtheit bilden sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland der Geburtsjahrgänge 1951 bis 1980. Die erste Befragungswelle fand 2011/2012 als bevölkerungsrepräsentative Basiserhebung statt, bei der N=4.511 Personen per computergestütztem Interview befragt werden konnten. Die zweite Welle folgte 2017, wobei N=2.640 Personen der Basiserhebung erneut befragt werden konnten. Die dritte Befragungswelle findet derzeit statt (2023/24) mit einem Befragungsziel von N=10.000, darunter wiederholt Befragte und erstmalig Befragte. Genauere Angaben über die Stichprobe, zu den verwendeten Erhebungsinstrumenten sowie zu weiteren Inhalten finden Sie in der Datendokumentation des Forschungsdatenzentrums und in den Methodenberichten: Methodenbericht S-MGA I Methodenbericht S-MGA II
Zielsetzung
S-MGA: Erhebungswelle I und II
Um arbeitsbezogene Risikofaktoren für psychische Erkrankungen sowie Ressourcen für den Erhalt von Gesundheit, Wohlbefinden und Arbeitsfähigkeit zu identifizieren und darauf aufbauend Empfehlungen für den Arbeitsschutz abzuleiten, bedarf es einer geeigneten Datengrundlage. Diese ist mit der Studie zur Mentalen Gesundheit bei der Arbeit gegeben. Unsere Forschung in den Erhebungswellen I und II konzentrierte sich dabei auf drei Schwerpunkte:
- Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen psychosozialer Arbeitsbelastung, Burnout und depressiver Symptomatik: Um der Komplexität des Arbeitslebens gerecht zu werden, wurde u.a. untersucht, welche Belastungskombinationen mit einer deutlichen Erhöhung des Risikos für Burnout und depressive Symptomatik einhergehen. Zudem wurden arbeitsbezogene Risikofaktoren für Arbeits- und Funktionsfähigkeit identifiziert.
- Positive Indikatoren der mentalen Gesundheit: Bisher existieren wenige Längsschnittstudien, welche die Zusammenhänge positiver Indikatoren der mentalen Gesundheit (z. B. emotionales Wohlbefinden und Arbeitsengagement) mit Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und deren Veränderungen umfassend und differenziert betrachten. Es wurde vertiefend untersucht, wie arbeits- und personenbezogene Anforderungen und Ressourcen zusammenwirken. Vorrangiges Ziel war die Identifikation von Ressourcen, die dem Erhalt bzw. der Förderung der mentalen Gesundheit dienen.
- Zusammenhang zwischen mentaler Gesundheit und Teilhabe am Erwerbsleben: Die Teilhabe am Erwerbsleben bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bildet ein wichtiges sozialpolitisches Ziel. Dennoch treten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus. Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, welches die zentralen Einflussfaktoren sind, die den Übergang von aktiver Erwerbsteilhabe zur Erwerbsaufgabe, dauerhaften Erwerbslosigkeit und zum vorzeitigen Rentenbeginn mit beeinflussen. Dabei sind Indikatoren der mentalen Gesundheit von besonderem Interesse. Dabei stehen langfristige Beziehungen zwischen Arbeit, mentaler Gesundheit und Erwerbsteilhabe sowie die Auswirkungen moderner Arbeitstätigkeiten auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten im Mittelpunkt des Themenfeldes.
Ausblick zur dritten Erhebungswelle: 2023-2024
Die Daten aus der dritten Erhebungswelle werden im Frühjahr 2024 erwartet. Forschungsschwerpunkte werden u.a. sein:
- Dynamische Zusammenhänge: Ziel ist die Aufklärung zeitlich-dynamischer Zusammenhänge zwischen Arbeit und mentaler Gesundheit, Arbeits- und Funktionsfähigkeit (z. B. Einsetzen der Auswirkung, Auswirkungsdauer)
- Sozioemotionale Expositionen: Hier steht die Ermittlung des Einflusses sozioemotionaler Arbeitsfaktoren (z. B. Kundenkontakt, emotionale Anforderungen, Anerkennung durch die Führungskraft, Gerechtigkeit und Respekt) auf die spätere Gesundheit, Arbeits- und Funktionsfähigkeit im Fokus
- Prädiktoren für den Austritt aus dem Erwerbsleben: Mit jeder Erhebungswelle erhöht sich die Anzahl an Personen, die aus verschiedenen Gründen vor der gesetzlichen Altersgrenze aus dem Erwerbsleben ausgetreten sind. Damit steigt die statistische Stärke für Analysen zu Einflussfaktoren für den Erwerbsaustritt
- Prädiktoren für Übergange: Es soll z. B. untersucht werden, wie Arbeitsbedingungen und (mentale) Gesundheit als Auslöser für den Wechsel des Beschäftigungsumfangs, Wechsel des Arbeitgebers oder Berufs (freiwillig/unfreiwillig) oder die Inanspruchnahme eines Sabbaticals oder von Elternzeit fungieren
- Digitalisierung und ihre Folgen: Hier werden beispielsweise Veränderungen der arbeitsbezogenen sozialen Beziehungen und damit einhergehende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der sich wandelnden Arbeitswelt untersucht