Einheitliche europaweite Regelungen für gefährliche Stoffe und Gemische
Gefährliche Stoffe und Gemische müssen vor dem Inverkehrbringen und am Arbeitsplatz aus Sicherheitsgründen korrekt eingestuft und gekennzeichnet sein. Die Regeln dafür finden sich in der europäischen Verordnung (EG) Nr. 1272/2008, der sogenannten CLP-Verordnung. Mit ihr werden für alle Mitgliedstaaten einheitliche Maßstäbe zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen vorgegeben.
Bis 2008 beruhten die Vorschriften zur Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Gemische in der EU auf zwei europäischen Richtlinien, der Stoffrichtlinie (RL 67/548/EWG) und der Zubereitungsrichtlinie (RL 1999/45/EG). Der 1. Juni 2017 markierte das Ende der Übergangszeit zur Einführung der CLP-Verordnung, seitdem dürfen keine Gebinde oder Verpackungen mit "alter" Kennzeichnung mehr in den Verkehr gebracht werden. Innerbetrieblich dürfen alte Bestände jedoch noch aufgebraucht werden oder unter bestimmten Bedingungen weiter die alte Kennzeichnung tragen, wenn sichergestellt ist, dass die alte und die aktuelle Einstufung und Kennzeichnung von den Arbeitnehmern verstanden werden, s. hierzu auch die Regelungen in TRGS 201 "Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen"
Das UN-GHS wird auch zukünftig Änderungen und Anpassungen unterworfen sein. Im Rahmen von 2-Jahres-Programmen werden aktuelle Entwicklungen zur Verbesserung aufgegriffen und bei Bedarf integriert. Dies hat zwei praktische Konsequenzen: zum einen ist die CLP-Verordnung an den neuesten technischen Stand des UN-GHS anzupassen, dies erfolgt jeweils mit Hilfe einer sogenannten ATP (adaptation to technical progress), zum anderen sind viele Kriterien vergleichsweise offen formuliert und erfordern Expertenwissen zur Bewertung. Das eröffnet Spielräume, kann aber auch manchmal Unsicherheit auslösen. Hilfestellung bei solchen Problemen bietet der REACH-CLP-Biozd-Helpdesk der Bundesbehörden. Konkretisierungen und Beispiele, die sich auf die Einstufungskriterien der CLP-Verordnung beziehen, bietet die ECHA mit ihren Leitlinien zur Anwendung der CLP-Kriterien.
Die Regelungen der CLP-Verordnung weisen viele Übereinstimmungen mit den früheren Rechtsvorschriften auf, insbesondere ist die Systematik im Prinzip gleichartig aufgebaut.
Im Detail gibt es allerdings etliche Abweichungen. Sehr deutlich ist zum Beispiel die Veränderung der Gefahrenpiktogramme: früher waren die schwarzen Symbole mit einem orangen Quadrat hinterlegt, heute leuchten sie auf dem Hintergrund einer weißen Raute mit rotem Rand. Die Symbole selbst sind ebenfalls modifiziert.
Mit der Einstufung werden Stoffen und Gemischen anhand einschlägiger Kriterien entsprechend ihrer Gefährlichkeit bestimmte Gefahrenklassen und Gefahrenkategorien zugewiesen. Während die Gefahrenklassen die Art der Gefahr angeben, dienen die Gefahrenkategorien zur Abstufung innerhalb der Klassen.
Mit der Veröffentlichung der Delegierten Verordnung (EU) 2023/707 am 31. März 2023 erweiterte die EU-Kommission die CLP-Verordnung um vier neue Gefahrenklassen, die jedoch nicht auf dem UN GHS basieren. Die Einführung dieser Gefahrenklassen gilt als erste und wichtige Maßnahme, um die am 14. Oktober 2020 veröffentliche Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS) in der EU umzusetzen.
Die neuen Gefahrenklassen der CLP-Verordnung regeln die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, die sich als besonders besorgniserregend erwiesen haben. Dabei handelt es sich um
- Stoffe und Gemische, die als „Endokrine Disruptoren“ die Funktionen des Hormonsystems verändern können und dadurch beim Menschen u.a. Geburtsschäden, Entwicklungs- und Fortpflanzungsstörungen auslösen und sich in der Umwelt negativ auf die Tierwelt auswirken.
- Stoffe und Gemische mit „PBT“- und „vPvB“-Eigenschaften, die in der Umwelt biologisch nur schwer abbaubar sind (persistent) und sich dadurch in lebenden Organismen der gesamten Nahrungskette ansammeln. Eine Anreicherung (Akkumulation) solcher Chemikalien in der Umwelt, die zudem noch giftig (toxisch) für Wasserlebewesen sind oder sehr schwere Gesundheitsschäden verursachen können, lässt sich nur schwer umkehren.
- Stoffe und Gemische mit „PMT“- und „vPvM“-Eigenschaften, die in der Umwelt biologisch nicht leicht abbaubar sind (persistent) und so in den Wasserzyklus einschließlich des Trinkwassers eindringen und sich über große Entfernungen ausbreiten (mobil) können. Viele dieser Chemikalien, die zudem noch giftig (toxisch) für Wasserlebewesen sind oder sehr schwere Gesundheitsschäden verursachen können, widerstehen sowohl der Abwasserbehandlung als auch der Trinkwasseraufbereitung. Wie der Einfluss solcher Chemikalien sich auf die Menschen und Tiere auswirkt ist bislang nicht absehbar.
Mit der CLP-Verordnung gelten in der EU somit 17 Klassen für physikalische Gefahren, elf für Gesundheitsgefahren und fünf Klassen für Umweltgefahren. Besonders für Gemische sind einige Kriterien verschärft worden. Nach CLP-Verordnung lösen zum Beispiel in einem Gemisch reizende oder ätzende Stoffe in deutlich niedrigeren Konzentrationen als früher die Einstufung des Gemisches als gefährlich aus. Details zu den Einstufungskriterien finden sich im Anhang I, Teile 2-5 der CLP-Verordnung.
Mit Hilfe von einschlägigen Kennzeichnungselementen werden die Gefahren dann über das Kennzeichnungsetikett und das Sicherheitsdatenblatt kommuniziert. Zur Kennzeichnung gehören (wo zutreffend):
- Gefahrenpiktogramme
- Signalwort ("Gefahr" oder "Achtung")
- Gefahrenhinweise (einschließlich EUH-Hinweise)
- Sicherheitshinweise
- Weitere Angaben, wie Produktname, Lieferant, etc.
Das Signalwort als Kennzeichnungselement neben dem Gefahrenpiktogramm sollte immer für eine erste Einschätzung der Gefahren, die von einem Stoff oder Gemisch ausgehen, ernst genommen werden: die verwendung von "Gefahr" auf dem Etikett weist auf besonders besorgniserregende Gefahreneigenschaften hin. Einige der insgesamt neun Gefahrenpiktogramme enthalten vollkommen neue Symbole. Insbesondere GHS08 Gesundheitsgefahr, der sogenannte "Torso" verdient besondere Beachtung. Dieses Piktogramm signalisiert im Zusammenhang mit dem Signalwort "Gefahr" sehr schwere Gesundheitsschäden mit verzögertem Verlauf. Diese Kombination wird zum Beispiel verwendet, um auf krebserzeugende oder atemwegssensibilisierende Eigenschaften hinzuweisen. Insgesamt enthält das Etikett nach der CLP-Verordnung mehr Informationen als früher und kann dadurch leicht überladen wirken. Regeln, wie der Überladung an Informationen auf dem Kennzeichnungsetikett entgegengewirkt werden kann, finden sich in den Artikeln 26 - 28 der CLP-Verordnung und in den ECHA-Leitlinien zur Kennzeichnung und Verpackung. Ausnahmen von Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften für besondere oder kleine Verpackungen werden durch Artikel 29 in Verbindung mit Anhang I Teil 1 der CLP-Verordnung ermöglicht, die in der o.g. ECHA-Leitlinie konkretisiert werden.
Weitere Hilfestellungen und Erläuterungen zur CLP-Verordnung finden Sie über die Links auf dieser Seite. Außerdem können Sie Informationsmaterial bestellen, wie zum Beispiel die GHS-Memocard "Gefahrstoffe kompakt", die auf die Bedeutung der neuen Symbole eingeht, sowie Poster zum Global Harmonisierten System (GHS) in der EU.