Unter- oder Überdruck

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Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle

Arbeitsschutzmaßnahmen sind auf der Grundlage einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 5 ArbSchG in aller Regel vor Aufnahme der Tätigkeit zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Beschäftigte bei Tätigkeiten mit Unter- bzw. Überdruck nur akzeptablen, zumindest aber tolerablen Restrisiken ausgesetzt sind.

Um dies zu gewährleisten, ist eine entsprechende Wirksamkeit der Maßnahmen vor Aufnahme der Tätigkeit zu kontrollieren. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die Maßnahmen dauerhaft wirksam bleiben. Dies ist in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Dabei hat der Arbeitgeber eine stetige Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzustreben (vgl. § 3 Absatz 1 ArbSchG).

Unterdruck

Unterdruck vermeiden

Der Aufenthalt in Höhenlagen sowie Flughöhen ohne Druckkabine über 3 000 Meter (entspricht Umgebungsdruck unter 0,73 bar) sind möglichst zu vermeiden.

Sicherheitstechnische Maßnahmen

Für Flüge über 6 000 m (20 000 ft) über NHN müssen Flugzeuge mit Druckkabinen ausgerüstet sein. Flugzeuge mit Druckkabinen müssen mit einer Sauerstoffanlage ausgerüstet sein und bei Flügen über 3 000 m einen ausreichenden Sauerstoffvorrat mitführen (§ 21 Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO)).

Persönliche Schutzausrüstung

In Höhenlagen ab 2 500 m können aufblasbare Drucksäcke (ggf. mit Sauerstoffzufuhr) zur schnellen Linderung bei auftretender Höhenkrankheit bereitgestellt werden.

In Höhenlagen ab 3 000 m wird für unangepasste Personen das Mitführen eines Sauerstoffspendegerätes empfohlen.

Organisatorische und verhaltensbezogene Maßnahmen

In Höhenlagen ab 2 500 m ist in den ersten Tagen schwere körperliche Arbeit zu vermeiden. Nach mehrtägiger Anpassung ist jedoch Arbeit bis zu einer Höhe von 5 000 bis 6 000 m (> 0,48 bar) noch möglich.

Zur Vorbeugung der Höhenkrankheit ist ein langsamer Anstieg und ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu empfehlen.

Treten bei Höhen ab 2 500 m erste Anzeichen einer Höhenkrankheit auf, ist neben Rast und Flüssigkeitszufuhr insbesondere der zügige Abstieg in niedrigere Lagen erforderlich.

Überdruck

Übergreifende Gestaltungskonzepte

Überdruck vermeiden

Da Arbeiten in Überdruck mit hoher Belastung und Gesundheitsrisiken verbunden sind, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um solche Arbeiten zu vermeiden und zu minimieren. Dabei geht es unter Einbeziehung von Experten darum, alternative Produktions- und Arbeitsverfahren auszuloten bzw. zu entwickeln.

Für das Inverkehrbringen von Geräten mit einem Überdruck von 0,5 bar ist ggf. die Druckgeräteverordnung zu beachten.

Sicherheitstechnische Maßnahmen

Beim Einsatz von Atemgeräten kann bei höherem Überdruck die Zusammensetzung des Atemgases verändert werden, z. B. Ersatz von Stickstoff durch Helium oder/und Wasserstoff oder Reduzierung des Sauerstoffanteils (z. B. Nitrox, Heliox oder Trimix). Derartige Gasgemische ermöglichen Arbeiten unter noch höherem Druck (z. B. 20-30 bar) bzw. in größeren Tauchtiefen bis zu mehreren Hundert Metern.

Der Einsatz von Atemgasen ohne Stickstoff oder/und Sauerstoffatmung über Sauerstoffmaske in der Dekompression ermöglicht eine schnellere Dekompression und senkt das Risiko von Dekompressionserkrankungen signifikant. Weitere Hinweise enthält die DGUV Information 201-061.

An Arbeitskammern und Einrichtungen werden zahlreiche Beschaffenheitsanforderungen gestellt (§§ 4 und 5 Druckluftverordnung (DruckLV) in Verbindung mit Anhang 1).

Weitere technische Gestaltungsmaßnahmen enthalten Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen RAB 25, Anhang, Abschnitt 4.

Organisatorische Maßnahmen

Um zeitaufwendige Dekompressionsphasen zu vermeiden, halten sich Druckluftarbeiter bzw. Taucher zwischen den Arbeits- bzw. Tauchgängen über längere Zeit in Druckkammern mit Arbeitsdruck auf (Sättigungstauchen).

Insbesondere Dekompressionsprozesse müssen sehr langsam ablaufen, damit die im Gewebe gesättigten Gase (besonders Stickstoff) ohne gefährliche Bläschenbildung aus dem Gewebe entweichen können. Bei einem 30-minütigen Tauchgang in 100 m Tiefe dauert die Dekompression mehrere Stunden. Eine vollständige Entsättigung ist erst nach ca. 36 Stunden erreicht.

An die Ausschleusungs- und Wartezeiten zwischen den Einsätzen in Druckluft werden abhängig von den Einsatz- und Rahmenbedingungen unterschiedliche, spezifische Anforderungen gestellt (§ 21 DruckLV). Anhang 2 der DruckLV enthält Tabellen für Ausschleusungs- und Wartezeiten bei unterschiedlichen Bedingungen (abrufbar beim Bundesgesetzblatt, 1979, Nr. 39)). Weitere Hinweise sind in den Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen RAB 25, Teil 3 zu finden.

Durch organisatorische Maßnahmen können die Gesundheitsrisiken verringert werden (siehe Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen (RAB 25, Anhang, Abschnitt 3):

  • Die ersten beiden Einsätze in Druckluft (auch nach längeren Pausen) sollten verkürzt erfolgen.
  • Vor dem Ausschleusen trockene Kleidung anziehen.
  • Während der Druckluftarbeiten und des Ausschleusens auf ausreichende Flüssigkeitsaufnahme achten.
  • Zusätzlichen Dekompressionsstress durch druckgeminderte Höhenlagen (z. B. Flug, Höhenaufenthalt, Passfahrten), körperliche Anstrengung, längere Autofahrten vermeiden bzw. in Abstimmung mit dem Druckluftarzt zusätzliche Maßnahmen ergreifen wie verlängerte Dekompressions- und Wartezeiten, verkürzte Arbeitszeiten.
  • Für den Fall von Drucklufterkrankungen ist ein Verfahrensablauf festzulegen und allen Mitarbeitern zu vermitteln, um eine schnelle fachgerechte Behandlung sicherzustellen (DGUV Information 250-006).
  • Verhaltensbezogene Maßnahmen

Die Dekompression muss sich an festgelegten Regelungen orientieren (DruckLV, Anhang 2; DGUV Vorschrift 40).

Es wird empfohlen, dass jeder Beschäftigte auch außerhalb der Arbeitszeit eine rote Notfallkarte bei sich führt, die u. a. lebensrettende Hinweise zur Behandlung von Druckfallbeschwerden enthalten kann (DGUV Information 250-006).

Arbeitsmedizinische Vorsorge bzw. ärztliche Untersuchung

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer zu Taucherarbeiten nur nach einer arbeitsmedizinischen Vorsorge (Pflichtvorsorge gem. § 4 ArbMedVV mit Anhang 3 (1) Nummer 5) beschäftigten. Der Arbeitgeber hat über die in Druckluft Beschäftigten eine Vorsorgekartei zu führen mit Angaben, dass, wann und aus welchen Anlässen arbeitsmedizinische Vorsorge stattgefunden hat (§ 3 Absatz 4 ArbMedVV).

Arbeitnehmer dürfen nur in Druckluft beschäftigt werden, wenn sie von einem gem. § 13 DruckLV ermächtigten Arzt untersucht worden sind, und zwar

  • vor der ersten Beschäftigung bzw.
  • vor Ablauf eines Jahres seit der letzten Untersuchung.

Die Bescheinigung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit ist Tätigkeitsvoraussetzung. Die Untersuchungen müssen erfolgt sein

  • innerhalb von zwölf Wochen vor Beginn der Beschäftigung
  • und anschließend jeweils vor Ablauf von zwölf Monaten.

Vor der Weiterbeschäftigung nach Erkrankungen, Erkältungen oder sonstigem Nichtwohlfühlen muss der ermächtigte Arzt festgestellt haben, dass gesundheitliche Bedenken gegen die Weiterbeschäftigung nicht bestehen (§ 11 DruckLV).

Spezifische Maßnahmen bei Druckluftarbeiten

Arbeitgeber, die Beschäftigte in Luftdruck über 0,1 bar Überdruck einsetzen wollen, müssen die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen:

Anzeigepflicht

Arbeiten unter Druckluft sind bei der zuständigen Behörde spätestens zwei Wochen vor Aufnahme der Arbeiten anzuzeigen. Auch geplante oder eingetretene Änderungen gegenüber der Anzeige hat der Arbeitgeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen (§ 3 DruckLV).

Erholungsräume, sanitäre Einrichtungen, Druckluftkammer

  • Der Arbeitgeber muss bestimmte Erholungsräume und sanitäre Einrichtungen für die Beschäftigten bereitstellen (§ 17 DruckLV).
  • Ab einem Arbeitsdruck von 0,7 bar ist am Arbeitsplatz eine Krankendruckluftkammer zur Rekompression bereitzustellen, mit der im Falle einer auftretenden Drucklufterkrankung eine Behandlung sehr schnell eingeleitet werden kann und damit irreversible Spätfolgen infolge verspäteter Behandlung vermieden werden können (§ 17 DruckLV).

Technische Prüfungen

Arbeitskammern sind vor der Inbetriebnahme und nach wesentlichen Änderungen einer Prüfung durch behördlich anerkannte Sachverständige zu unterziehen. Schleusen und Schachtrohre müssen darüber wiederkehrend geprüft werden, vor Ablauf von drei Jahren bzw. nachdem sie zum dritten Mal neu installiert worden sind (§ 7 DruckLV).

Ermächtigter Arzt

Der Arbeitgeber hat einen ermächtigten Arzt mit spezieller arbeitsmedizinischer Fachkunde bezüglich Arbeiten in Druckluft (Druckluftarzt genannt) zu beauftragen, die notwendigen Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsgefahren zu veranlassen, die Arbeitnehmer zu beraten und Drucklufterkrankte zu behandeln. Dazu muss der Arzt in der Regel während der Arbeits- und Wartezeiten jederzeit an der Arbeitsstelle erreichbar sein, d. h. innerhalb von maximal 30 Minuten an der Arbeitsstelle zur Verfügung stehen (§ 12 DruckLV). Die Einleitung der Behandlung von drucklufterkrankten Beschäftigten kann der ermächtigte Arzt auf einen Bereitschaftsarzt übertragen. Für Ausnahmen auf Antrag geben die Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen "Arbeiten in Druckluft" (RAB 25) weitere Hinweise.

Geschulte Fachkräfte

Der Arbeitgeber hat bestimmte speziell geschulte Fachkräfte zu bestellen, die während des Betriebs festgelegte Überwachungs- und bei Bedarf Brandbekämpfungs- oder Erste-Hilfe-Maßnahmen wahrnehmen (§ 18 DruckLV). Unter anderem muss er einen Fachkundigen mit einem behördlichen Befähigungsschein bestellen, der die Arbeiten in Druckluft leitet und überwacht sowie Erlaubnisscheine (vgl. DGUV Information 201-061, Anlage 8) ausstellt. Weitere Hinweise zu den Aufgaben und Qualifikationsanforderungen der zu bestellenden Fachkräfte enthalten die Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen "Arbeiten in Druckluft" (RAB 25) sowie die DGUV Information 201-061 in Abschnitt 5.2.

Unterweisung

Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass der leitende Fachkundige und der beauftragte Arzt die Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und mindestens halbjährlich über die Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Einrichtungen und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren belehren. Vor Beginn der Beschäftigung hat der Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer zudem ein entsprechendes Merkblatt in dessen Sprache auszuhändigen (§ 20 DruckLV).

Spezifische Maßnahmen bei Baumaßnahmen

Baustellenkoordinator

Arbeiten in Überdruck auf Baustellen zählen zu den besonders gefährlichen Arbeiten nach § 2 Absatz 3 Baustellenverordnung (BaustellV). Da es sich meist um Bauvorhaben größeren Umfangs mit mehreren Arbeitgebern handelt, muss der Bauherr in der Regel einen Koordinator bestellen, der einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt sowie eine Unterlage für spätere Arbeiten zusammenstellt. Der Koordinator muss in der Regel unter Einschaltung zusätzlicher Fachleute auf die Auswahl von Bauverfahren mit möglichst geringen Risiken hinwirken (siehe Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen - RAB 25 "Arbeiten in Druckluft", Anhang, Abschnitt 11). Umfangreiche Empfehlungen zu Arbeiten in Druckluft insbesondere im Tiefbau sind in der DGUV Information 201-061 zusammengestellt. Insbesondere im Tunnelbau können Einsätze mit Arbeitsdrücken über 3,6 bar und Taucharbeiten in der Stützflüssigkeit einer Tunnelbohrmaschine unvermeidlich sein. DGUV Information 201-061 beschreibt in den Abschnitten 6 und 7 die erhöhten Anforderungen für diesen Sonderfall.

Spezifische Maßnahmen bei Tauchgängen

Bei Tauchgängen muss der Arbeitgeber unabhängig von Druckluftarbeiten folgende Pflichten erfüllen:

Taucheinsatzleiter

Taucheinsätze müssen unter der Leitung eines schriftlich bestellten Taucheinsatzleiters erfolgen. Dieser muss die Einsatzbedingungen beurteilen, den Tauchgang schriftlich planen, den sicheren Ablauf des Tauchereinsatzes überwachen und die bei Unfällen und Störungen erforderlichen Maßnahmen treffen können (§§ 8 und 15 bis 16 DGUV Vorschrift 40).

Signalmann, Tauchhelfer

Taucherarbeiten dürfen nur von Tauchergruppen aus mindestens zwei geprüften Tauchern, Signalmann sowie Tauchhelfer erfolgen. Die Verständigung zwischen Tauchern und Signalmann muss sichergestellt sein (§§ 9 bis 13 und 18 DGUV Vorschrift 40).

Ausrüstung
  • Es ist eine festgelegte Ausrüstung bereitzustellen, die bestimmte Beschaffenheitsanforderungen erfüllt (§§ 14 und 3 bis 7 DGUV Vorschrift 40).
  • Anforderungen an Bau und Ausrüstung sowie Betrieb von Taucherdruckkammern enthält DGUV Regel 101-022.
Vorschriften, Regelwerk
  • Für die Vorbereitung und Durchführung von Tauchgängen sind zahlreiche Regeln zu beachten (§§ 19 bis 25 DGUV Vorschrift 40).
  • Weitere Regelungen betreffen die Not-Dekompression, Maßnahmen nach dem Tauchgang, zusätzliche Bestimmungen für Helmtauchgeräte und Leichttauchgeräte, Prüfung der Ausrüstung und Verhalten bei Taucherunfällen (§§ 26 bis 32 DGUV Vorschrift 40).
  • Hinweise für Tauchereinsätze mit Mischgas enthält DGUV Information 201-033.
  • Für Tauchereinsätze mit wissenschaftlicher Zielsetzung, d. h. Forschungstauchereinsätze, gelten spezielle Regeln gemäß DGUV Regel 101-023.
  • Umfangreiche Empfehlungen zu Arbeiten in Druckluft insbesondere im Tiefbau sind in der DGUV Information 201-061 "Handlungsanleitung für sicheres Arbeiten in Druckluft" zusammengestellt.

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