Lärm

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Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle

Rechtliche Grundlagen

Die Arbeitsschutzmaßnahmen beruhen in erster Linie auf dem rechtlich festgeschriebenen Grundsatz für den Lärmschutz an Maschinen (9. ProdSV) sowie bei Arbeitsverfahren und an Arbeitsplätzen (ArbStättV, LärmVibrationsArbSchV), Gefährdungen entsprechend dem Stand der Lärmminderungstechnik so weit wie möglich zu verringern (§ 7 (1) der LärmVibrationsArbSchV), auch wenn vorgegebene Emissions- bzw. Immissionsgrenzwerte bereits eingehalten sein sollten.

Nachfolgend sind infrage kommende Maßnahmen bei der Planung von Arbeitsstätten (Errichtung oder wesentliche Änderung) sowie für vorhandene Arbeitsstätten angegeben.

Einsatz lärmarmer Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren

Nach § 7 (2) Nummer 2 LärmVibrationsArbSchV sind unter Berücksichtigung des Standes der Lärmminderungstechnik Arbeitsmittel so auszuwählen, dass sie möglichst wenig Lärm erzeugen. Dabei sind z. B. die von Maschinenherstellern entsprechend der Anforderungen in der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und "Outdoor"-Richtlinie 2000/14/EG anzugebenden Geräuschemissionswerte zu verwenden (§ 3 (2) Nummer 1h LärmVibrationsArbSchV). So sollten die zur Auswahl stehenden Arbeitsmittel (Maschinen) möglichst niedrige Werte des Emissions-Schalldruckpegels LpA und des Schallleistungspegels LWA aufweisen. Zwecks Auswahl geräuscharmer Arbeitsmittel sollten bei der Angebotseinholung möglichst umfassende Angaben zur Geräuschemission (siehe Geräuschdatenblatt) angefordert werden.

Die Hersteller von Maschinen und anderen geräuschabstrahlenden Arbeitsmitteln sind zu bestimmten Angaben über die Geräuschemission (siehe Anlage Geräuschdatenblatt) verpflichtet (2006/42/EG oder als nationale Umsetzung die 9. ProdSV).

Sobald Angaben zur Geräuschemission vorliegen, kann die Arbeitsmittelauswahl vorgenommen werden durch Vergleich

  • der Geräuschemissionswerte der Fabrikate des Marktangebotes untereinander,
  • der Emissionswerte mit Anhaltswerten, die ggf. in der zutreffenden Maschinensicherheitsnorm (C-Norm) enthalten sind,
  • der Emissionswerte mit Emissionsgrenzwerten z. B. für einige im Freien zu betreibende Maschinen wie Baumaschinen (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung - 32. BImSchV).

Die LärmVibrationsArbSchV fordert in § 7 (2) 1, Arbeitsverfahren entsprechend dem Stand der Lärmminderungstechnik zu gestalten oder auszuwählen und anzuwenden. Lärmarme Arbeitsverfahren sind u. a. in technischen Regeln (z. B. DIN EN ISO 11690-2, VDI 3759), in der BAuA-Schriftenreihe Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und in BG-Veröffentlichungen Lärmschutz-Arbeitsblätter IFA-LSA beschrieben. IFA-LSA 01-305 enthält u. a. Lärmminderungshinweise zu folgenden Vorgängen:

  • Drehen, Sägen, Fräsen, Bohren,
  • Schleifen, Polieren, Räumen,
  • Falzen, Bördeln, Eintreiben, Hämmern, Richten, Positionieren, Ankörnen,
  • Schrauben, Nieten,
  • Reinigen, Entgraten.

Schalltechnische Gestaltung von Arbeitsräumen

Arbeitsräume sind gemäß § 7 (2) 3 LärmVibrationsArbSchV so zu gestalten, dass sie dem Stand der Technik entsprechen.

Schallausbreitungsminderung

Die Schallausbreitungsminderung in Arbeitsräumen wird vorzugsweise gekennzeichnet (VDI 3760, DIN EN ISO 11690-1) durch

  • die mittlere Schalldruckpegelabnahme je Abstandsverdopplung von einer Schallquelle DL2 (bei ungehinderter Schallausbreitung im Freien beträgt DL2 = 6 dB) und
  • die Schalldruckpegelüberhöhung DLf gegenüber der Schalldruckpegelabnahme im Freien (die Mittelung bezieht sich nach VDI 3760 vorzugsweise auf Oktavpegel bei bestimmten Oktavmittenfrequenzen).

DL2 und DLf werden für bestimmte Entfernungsbereiche von der Quelle ermittelt, in der Regel für den Nah-, Mittel- und Fernbereich.
Schallabsorptionsgrade, Schallausbreitungskurven und damit DL2 und DLf können im Planungsstadium von Arbeitsstätten berechnet oder in vorhandenen Arbeitsstätten mittels Messung ermittelt werden.

Abb. 6.1-2 Schalldruckpegelabnahme mit der Entfernung von der Schallquelle (Schallausbreitungskurve)
Abb. 6.1-2 Schalldruckpegelabnahme mit der Entfernung von der Schallquelle (Schallausbreitungskurve)

Räume mit diffusem Schallfeld

In Räumen mit diffusem Schallfeld kann die Schallausbreitungsminderung auch mithilfe

  • des mittleren Schallabsorptionsgrades α,
  • der Raumbegrenzungsflächen oder
  • der Nachhallzeit T

beschrieben werden. Ein Diffusschallfeld kann z. B. angenommen werden, wenn der Raum annähernd würfelförmig und für jede der sechs Begrenzungsflächen α ≤ 0,3 ist. Viele Werkhallen und Großraumbüros sind jedoch aus akustischer Sicht sog. Flachräume (Raumlänge oder/und -breite ≥ 3-mal Raumhöhe), bei denen die Beschreibung mittels der Nachhallzeit T oder nur durch den Schallabsorptionsgrad α der Begrenzungsflächen ungeeignet ist.

Nachweis der Schallausbreitungsminderung

Der Stand der Technik bezüglich der Schallausbreitungsminderung in Arbeitsräumen kann als eingehalten gewertet werden, wenn die Kriterien gemäß Tabelle 6.1-4 für fertig eingerichtete Räume (mit Maschinen, Regalen, Paletten, Rohrleitungen usw., wie geplant oder wie vorhanden) erfüllt sind.

Tab. 6.1-4 Kriterien für Arbeitsräume bezüglich der Schallausbreitungsminderung
Fundstelle des KriteriumsαDL2 in dBDLf in dB
VDI 3760:1996≥ 4
(5 – 16 m)1)
≥ 8
(5 – 16 m)1)
TRLV Lärm – Teil 3≥ 0,3
(0,5 – 4 kHz)2)
≥ 4
(0,5 – 4 kHz)2)
1) Abstandsbereich von der Schallquelle
2) Bereich der Oktavmittenfrequenzen

Raumakustische Anforderungen an Büroräume

In Büroräumen sollen in Abhängigkeit der Nutzungsart im unbesetzten Raum folgende Nachhallzeiten T in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2 000 Hz nicht überschritten werden (ASR A3.7). Diese Anforderungen an die Nachhallzeit sind in jedem Oktavband separat zu erfüllen:

  • Callcenter (Büro für kommunikationsbasierte Dienstleistungen): T = 0,5 s,
  • Mehrpersonen- und Großraumbüro: T = 0,6 s,
  • Ein- und Zweipersonenbüro: T = 0,8 s.

In der Regel besteht in Büroräumen der Bedarf einer guten Sprachverständlichkeit über geringe Entfernungen, bei der andere, nicht beteiligte Personen nicht gestört werden.

Akustische Anforderungen an Räume in Bildungsstätten

In Bildungsstätten, z. B. Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen, darf in besetztem Zustand des Raumes für die Anforderung "Unterricht mit Personen ohne Bedürfnis nach erhöhter Sprachverständlichkeit" die Nachhallzeit Tsoll die mit nachfolgender Formel errechneten Werte in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2 000 Hz nicht überschreiten. Dabei ist in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2 000 Hz jeweils eine Toleranz von +/-20 % zulässig (ASR A3.7).

Tsoll = (0,32 lgV/m³ - 0,17) s mit V : Raumvolumen in m³

Akustische Anforderungen an sonstige Räume mit Sprachkommunikation

Alle sonstigen Arbeitsräume, in denen Sprachkommunikation erforderlich ist, sollen durch raumakustische Maßnahmen so gestaltet werden, dass ein mittlerer Schallabsorptionsgrad von mindestens α = 0,3 beim eingerichteten Raum erreicht wird. Als anzusetzender Schallabsorptionsgrad α des jeweiligen Oberflächenmaterials ist der arithmetische Mittelwert der Absorptionsgrade in den Oktavbändern mit den Mittenfrequenzen von 250 Hz, 500 Hz, 1 000 Hz und 2 000 Hz zu nehmen (ASR A3.7).

Alternativ ist in größeren Räumen (>1 000 m³) im Abstandsbereich von 0,75 m bis 6 m eine mittlere Schalldruckpegelabnahme in den Oktavbändern mit den Mittenfrequenzen von 500 Hz bis 4 000 Hz je Abstandsverdopplung von mindestens 4 dB ausreichend.

Schallausbreitungsminderung bei Sprachkommunikation

In Arbeitsräumen, in denen eine ungestörte Sprachkommunikation besonders wichtig ist, sind die Anforderungen der DIN 18041 zu berücksichtigen.

Ergeben sich bei der Überprüfung der Räume mittels Rechnung oder Messung ungenügende Werte, sollte die Schallabsorption erhöht werden, z. B. durch Absorber-Deckensysteme, durch Wandverkleidungen und in Büros auch durch textile Fußbodenbeläge.

Um die empfohlenen Werte zu erreichen, sollten bei den jeweils maßgebenden Geräuscheinflüssen entsprechende technische Maßnahmen vorgenommen werden, z. B. Schalldämpfer für Lüftungskanäle, Erhöhung der Fensterschalldämmung gegen Außenlärm.

Weitere technische Schallschutzmaßnahmen

Ergibt sich aus der Lärmbeurteilung (siehe "Grenzwerte, Beurteilungskriterien"), dass trotz der Einhaltung des Standes der Lärmminderungstechnik bei neu angeschafften Arbeitsmitteln oder bei Arbeitsverfahren und Arbeitsräumen (TRLV Lärm: Teil 3 Lärmschutzmaßnahmen, Abschnitte 4.1 bis 4.3) anzustrebende, empfohlene Werte oder Auslösewerte überschritten werden, sollten weitere technische Maßnahmen

  • an den Hauptlärmquellen (akustische Voll- oder Teilkapseln (DIN EN ISO 15667), Schalldämpfer (DIN EN ISO 14163) und Ähnliches),
  • auf dem Schallübertragungsweg zu den Arbeitsplätzen (akustisch wirksame, mindestens 1,80 m hohe Abschirmwände, z. B. um einen Richtarbeitsplatz oder um einen Kommunikationsbereich (Besprechungsecke) im Mehrpersonenbüro),
  • an den Arbeitsplätzen (Schallschutzkabinen, z. B. um Messwarten in Kraftwerkshallen)

vorgesehen werden.

Tabelle 6.1-5 zeigt Anhaltswerte für die Wirkung solcher Maßnahmen.

Tab. 6.1-5 Anhaltswerte über die erreichbare Lärmminderung durch Kapseln, Abschirmwände und Kabinen
SchallschutzmaßnahmeSchalldruckpegelminderung in dB
Kapsel
einschalig, ohne absorbierende Auskleidung5 – 10
einschalig, mit absorbierender Auskleidung10 – 25
doppelschalig, mit absorbierender Auskleidung und Körperschallisolierung20 – 40
Schallabschirmung
ohne absorbierenden Deckenbereich darüberbis ca. 5
mit absorbierendem Deckenbereich darüberbis ca. 10
Schallschutzkabine15 – 30

Lärmminderungsprogramm

Werden bei der Lärmbeurteilung in vorhandenen Arbeitsstätten kennzeichnungspflichtige Lärmbereiche festgestellt (siehe "Grenzwerte, Beurteilungskriterien") bzw. wird einer der oberen Auslösewerte überschritten, so ist für diese Bereiche ein Lärmminderungsprogramm (§ 7 (5) LärmVibrationsArbSchV) mit technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen zu erstellen, schriftlich zu fixieren und durchzuführen (DIN EN ISO 11690-1).

Ein Lärmminderungsprogramm sollte folgende Aufgaben und Arbeitsschritte enthalten:

  • Ermittlung der Lärmimmission an den Arbeitsplätzen durch Ermittlung des Tages-Lärmexpositionspegels LEX,8h, wobei angenommen wird, dass sich dort Arbeitnehmer über eine nominale achtstündige Arbeitsschicht aufhalten
  • Ermittlung der Lärmschwerpunkte, d. h. feststellen,

    • an welchen Immissionsorten die höchsten Pegel vorliegen (z. B. anhand einer Schallpegeltopografie),
    • wie viele Beschäftigte dort exponiert sind (Arbeitsplatzkataster),
    • welche Schallquellen am jeweils betrachteten Ort für die Lärmbelastung ausschlaggebend sind (Hauptlärmquellen)
  • Beschaffung (Herstellerangaben, Messung u. a.) der Emissionswerte der Hauptlärmquellen (Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren) und Prüfung in Bezug auf den Stand der Technik oder die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten (siehe "Einsatz lärmarmer Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren"; DIN EN ISO 11690-2)
  • Analyse der Geräuschursachen bei den Hauptlärmquellen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen (vorrangig zu behandelnde Hauptlärmquellen)
  • Prüfung der Schallausbreitungsbedingungen im Arbeitsraum in Bezug auf den Stand der Technik (siehe Schalltechnische Gestaltung von Arbeitsräumen)
  • Festlegung von technischen und verfahrenstechnischen Maßnahmen für die vorrangig zu behandelnden Hauptlärmquellen anhand technischer Regeln und Ähnliches (DIN EN ISO 11690-2, VDI-Richtlinien, Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse der BAuA, Lärmschutz-Arbeitsblätter IFA-LS der DGUV) und der Fachliteratur sowie von technischen Maßnahmen auf dem Schallausbreitungsweg
  • Durchführung einer Immissionsprognose zur Einschätzung der Wirkung der vor-gesehenen Maßnahmen, ggf. Variation der Maßnahmen
  • Aufstellung eines Zeitplans mit Prioritätenstufung zur Durchführung und Realisierung der Maßnahmen
  • Festlegung zur zeitlich begrenzten Anwendung von Gehörschutz
  • Nachprüfung des Erfolges des realisierten Lärmminderungsprogramms (vorzugsweise durch Messungen)
  • Aktualisierung des Lärmminderungsprogramms bei Weiterentwicklung des Standes der Technik oder bei wesentlicher Änderung der zugrunde liegenden Lärmsituation

Gehörschutz und arbeitsmedizinische Gehörvorsorge

Anwendungskriterien

Überschreitet der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h = 80 dB(A), sind den Beschäftigten geeignete persönliche Gehörschutzmittel (DGUV Regel 112-194, DGUV Information 212-673, DGUV Information 250-418, DIN EN 458) zur Verfügung zu stellen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die maximal zulässigen Expositionswerte LEX,8h = 85 dB(A) bzw. LpCpeak = 137 dB unter Einbeziehung der dämmenden Wirkung des Gehörschutzes nicht überschritten werden.

Anwendungskontrolle

Bei LEX,8h ≥ 85 dB(A) hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten den persönlichen Gehörschutz bestimmungsgemäß verwenden. Zustand und Wirksamkeit des Gehörschutzes sind in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.

Bei LEX,8h ≥ 85 dB(A) haben die Beschäftigten die bereitgestellten Gehörschutzmittel zu verwenden.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Bei LEX,8h ≥ 80 A) dB ist vom Arbeitgeber arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge anzubieten. Bei LEX,8h ≥ 85 dB(A) ist der Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßige arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge zu veranlassen. Diese Pflichtvorsorge umfasst u. a. eine erste Vorsorge vor Aufnahme einer gefährdenden Tätigkeit sowie Vorsorge in regelmäßigen Abständen (Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)).

Die DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen enthalten Hinweise zu Inhalt der Vorsorge bei Lärmexposition sowie zur arbeitsmedizinischen Beurteilung der erhobenen Befunde. Die Vorsorge schließt audiometrische Tests und die ärztliche Beratung zur Gehörschutzanwendung ein. Beschäftigte sollten die ihnen ausgehändigten Gehörschützer zur Vorsorge mitbringen (DGUV Information 250-418, ZH 1/565.4). Tritt ein Hörverlust plötzlich ein, ist sofortige ärztliche Behandlung angezeigt.

Erkennbarkeit akustischer Warnsignale

Die ausreichende Erkennung akustischer Signale, von Warnrufen und Gefahr ankündigenden Geräuschen ist durch Lärmminderungsmaßnahmen sicherzustellen; ist ausreichende Lärmminderung nicht möglich, ist die Signalgebung zu verbessern (DIN EN ISO 7731: siehe hierzu auch Abschnitt Mensch-Maschine/Rechner-Schnittstelle).

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