Elektromagnetische Felder

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Art der Gefährdungen und deren Wirkungen

Zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch direkte Wirkungen von EMF wird in der EMFV ein mehrstufiges Schutzkonzept eingeführt. Es umfasst Expositionsgrenzwerte (EGW) und Auslöseschwellen (ALS); siehe Abb. 6.5-2.

Abb.6.5-2: Allgemeine Übersicht über das Schutzkonzept der EMFV vor Gefährdungen durch direkte Wirkungen von EMF (Hinweis: überwiegende Zahl der Arbeitsplätze mit Expositionen gegenüber EMF liegen unterhalb der unteren Auslöseschwelle) © BAuA

EGW sind maximal zulässige Werte und beziehen sich auf die Wirkungen von EMF auf den menschlichen Körper. EGW liegen aufgrund der Berücksichtigung von Sicherheitsfaktoren deutlich unterhalb der Schwellen für nachgewiesene sensorische oder gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen (nicht in Abb. 6.5-2 dargestellt). Die Einhaltung der EGW ist in der Regel nicht direkt am Arbeitsplatz nachweisbar und kann nur durch aufwendige Messungen an Körperphantomen oder Modellrechnungen nachgewiesen werden.

Um die Gefährdungen am Arbeitsplatz mit direkt messbaren physikalischen Größen bewerten zu können, werden aus den EGW unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors ALS konservativ abgeleitet. Das heißt, werden die ALS eingehalten, so werden die EGW auch bei ungünstigsten Expositionsbedingungen nicht überschritten. Um die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung zu vereinfachen, wurden mit dem Schutzkonzept obere und untere ALS für direkte nicht thermische Wirkungen eingeführt (siehe Abb. 6.5-2). Mit Einhaltung der unteren ALS werden direkte und indirekte Wirkungen von EMF, außer auf Implantate, ausgeschlossen. Im Frequenzbereich, in dem thermische Wirkungen auftreten, wird nur eine ALS verwendet.

TREMF Teil Allgemeines

Der Teil Allgemeines erläutert den Anwendungsbereich der EMFV und enthält die wesentlichen Begriffe und physikalischen Größen, die bei der Umsetzung der EMFV relevant sind. Ergänzend werden im Teil Allgemeines das Schutzkonzept und das Expositionszonenkonzept vorgestellt. Im Anhang zum Teil Allgemeines werden direkte und indirekte Wirkungen ausführlich erläutert.

Gefährdungen durch direkte Wirkungen von EMF

Bei EMF werden zwei Feldkomponenten (auch Arten genannt) unterschieden: elektrische und magnetische Felder.

Die Wirkung von EMF auf den Menschen ist abhängig von der Feldkomponente, dem Frequenzbereich, der Feldstärke und der zeitlichen Änderung der Feldstärke (Modulation).

Statische elektrische Felder sind in ihrer Wirkung auf die Körperoberfläche beschränkt (z. B. Bewegung von Körperhaaren). Statische magnetische Felder können wegen ihrer Kraftwirkungen auf geladene Teilchen im menschlichen Körper zu elektrischen Feldern im Körpergewebe führen.

Der menschliche Körper ist ein relativ guter Leiter. Niederfrequente elektrische Felder erzeugen durch Ladungstrennung (Influenz) auf der Körperoberfläche Ströme innerhalb des Körpers. Bei Einwirkung niederfrequenter Magnetfelder, die das Körpergewebe ungehindert durchdringen, kann es durch die im Körper induzierten Ströme zu Reizungen von Muskeln und Nerven kommen. Diesen Wirkungen liegt ein Schwellenwertkonzept zu Grunde. Das bedeutet, dass erst bei Überschreiten dieses Schwellenwertes sich eine Wirkung einstellen kann. Der Schwellenwert lässt sich aus dem Lapicque’schen Gesetz zur Elektrostimulation [Lapicque, 1926] ableiten. Wird der Schwellenwert nicht überschritten (geringe Exposition), vermögen auch lange Reize (im Sinne langer Expositionsdauern) keine Stimulationswirkung auszulösen.

Hochfrequente EMF werden beim Eindringen in biologische Materie absorbiert, wobei Wärme entsteht. Bei ausreichend hoher Intensität kann es bei lokaler Einwirkung, z. B. auf das Auge, zu einer Temperaturerhöhung in der Augenlinse und bei langjähriger Einwirkung zur Entstehung eines Katarakts (Grauen Stars) kommen. Den direkten Wirkungen hochfrequenter EMF liegt ebenfalls ein Schwellenwertkonzept zu Grunde. Längere Ganzkörpereinwirkung mit EMF-Exposition oberhalb der EGW kann zur Erhöhung der Körperkerntemperatur von ΔT > 1 K mit möglichen Schädigungen führen.

Im Frequenzbereich zwischen 100 kHz und 110 MHz können hochfrequente Ströme durch Kontakt mit einem Gegenstand in einem EMF oder durch Induktion im menschlichen Körper hervorgerufen werden. Bei der Bewertung werden induzierte Ströme durch die Gliedmaßen betrachtet. Gliedmaßen weisen Stellen mit verhältnismäßig geringem Durchmesser auf, an denen die verschiedenen Gewebetypen (z. B. Haut, Knochen) eng aufeinanderliegen. Die im Körper induzierten Ströme können aufgrund der gewebetypischen Unterschiede in der Leitfähigkeit dazu führen, dass die zulässigen Werte zur Begrenzung der Wärmewirkung (spezifische Absorptionsrate, SAR) in den Gliedmaßen (besonders in Gelenken) überschritten werden. Das kann irreversible thermische Schädigungen hervorrufen.

Mit zunehmender Frequenz nehmen die für den Niederfrequenzbereich typischen Stimulationswirkungen immer mehr ab, während die für den im Hochfrequenzbereich charakteristischen Wärmewirkungen zunehmen. Diese Besonderheit ist kennzeichnend für den Übergangsbereich zwischen 100 kHz und 10 MHz.

Dass EMF je nach Feldkomponenten, Frequenz, Modulation und Stärke eine unterschiedliche biologische Wirkung auf den menschlichen Körper haben, bedeutet nicht, dass jede messbare Veränderung eines Parameters auch eine relevante physiologische oder gesundheitsschädliche Auswirkung hat.

Gefährdungen durch indirekte Wirkungen von EMF

Bei der Gefährdungsbeurteilung von EMF kommt der Betrachtung besonders schutzbedürftiger Beschäftigter eine besondere Bedeutung zu. Die Anzahl von Implantationen (alle Implantationsarten, Altersgruppe 18-65 Jahre) stieg im Zeitraum von 15 Jahren (2007-2021) um 32,3%, bezogen auf Herzschrittmacher und Defibrillatoren um 22,9% auf ca. 119.000 p.a., bezogen auf passive Implantate (Stents, (Endo-)prothesen) um 34,1% auf ca. 641.000 p.a. [DESTATIS 2022, eigene Auswertung].

Nach § 2 Absatz 7 EMFV gehören zu besonders schutzbedürftigen Beschäftigten insbesondere Beschäftigte mit:

  • aktiven medizinischen Implantaten, insbesondere Herzschrittmachern,
  • passiven medizinischen Implantaten,
  • medizinischen Geräten, die am Körper getragen werden, insbesondere Insulinpumpen,
  • sonstigen durch elektromagnetische Felder beeinflussbaren Fremdkörpern im Körper oder
  • eingeschränkter Thermoregulation.

Aktive Implantate verfügen im Gegensatz zu passiven Implantaten über eine eigene Energieversorgung, wie z. B. eine Batterie.

EMF können medizinische Vorrichtungen oder Geräte, wie aktive Implantate (z. B. Herzschrittmacher (HSM) oder Defibrillatoren (IKD)), beeinflussen. Die Elektrodenkonfiguration stellt eine Antenne bzw. Induktionsschleife dar und damit eine Empfangseinrichtung für von außen einwirkende EMF. Als physikalische Prinzipien wirken:

  • bei statischen Magnetfeldern Kraftwirkung auf ferromagnetische Bestandteile des Implantats,
  • bei elektrischen Feldern Influenz (Ladungstrennung) auf der Körperoberfläche, die zu Körperströmen im Inneren des Körpers führen und
  • bei magnetischen Feldern Induktion von Körperströmen.

Nutzt das aktive Implantat elektrophysiologische Messwerte, z. B. des Elektrokardiograms, können durch das äußere EMF verursachte interne elektrische Felder die Aufnahme der elektrophysiologischen Messwerte durch das Implantat überlagern und somit stören. Hierbei sind Implantate, die elektrophysiologische Messwerte verarbeiten, empfindlicher als programmgesteuerte Implantate. Die Folgen einer Funktionsstörung des Implantates reichen von kaum merklichen Unregelmäßigkeiten des Gerätes bis zu Gefährdungen des Implantattragenden (leichter Schwindel, Bewusstseinsverlust, im Extremfall Tod oder Sekundärgefährdungen bei der Nutzung von Arbeitsmitteln).

Die Störmöglichkeit eines Implantats hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von Typ und Einstellung des Implantats, von Frequenz und Pulsung oder Modulation des störenden Feldes sowie von den geometrischen Maßen der Implantatversorgung.

Auch passive Implantate können durch EMF beeinflusst werden. Wie für aktive Implantate aufgeführt, sind dieselben physikalischen Prinzipien ursächlich. Wirkungsseitig kann die Form des Implantats jedoch zu einer Erhöhung der Körperströme führen, was eine Schädigung des umliegenden Gewebes bedingen kann. Zusätzlich können hochfrequente EMF zu einer Erwärmung des Implantats führen, was ebenfalls eine lokale Gewebeschädigung bedingen kann.

Für weiterführende Informationen zur Beeinflussung aktiver und passiver Implantate siehe DGUV-I 203-043 "Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder", BMAS Forschungsbericht 451 "Sicherheit von Beschäftigten mit aktiven und passiven Körperhilfsmitteln bei Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern" und AUVA Report R78 "Bestimmung der im Gewebe induzierten elektrischen Feldstärken und Gewebeerwärmung in der Nähe von metallischen Implantaten bei Magnetfeldexposition am Arbeitsplatz".

Mögliche Gefährdungen durch Projektilwirkung entstehen, wenn ferro- oder paramagnetische Materialien durch starke statische Magnetfelder zu diesen hin beschleunigt werden. Aktiv geschirmte Magnete benötigen aufgrund der höheren räumlichen Feldgradienten geringere magnetische Feldstärken, um Gegenstände zu beschleunigen; die Sicherheitsabstände sind somit höher. Elektrische Zündvorrichtungen (Detonatoren) können durch hochfrequente EMF ausgelöst werden; für weitere Informationen siehe DGUV-R 113-016 oder CLC/TR 50426:2005-03. Brände oder Explosionen durch die Entzündung brennbarer Materialien aufgrund von Funkenbildung können durch Reibungselektrizität (in statischen elektrischen Feldern) und durch Energiedisposition (in hochfrequenten EMF) in Abhängigkeit der Feldstärke und Einkopplungsbedingungen ausgelöst werden; für weitere Informationen siehe Abschnitte 2.2, und 3.4 bis 3.6, Technische Regeln für Gefahrstoffe der Reihe 700 und Reihe 800, DIN VDE 0848-5 bzw. CLC TR 50427. Kontaktströme bezeichnen einen Strom, der zwischen einem Gegenstand in einem EMF und einem Beschäftigten fließt. Im Gegensatz zu elektrischen Gefährdungen (siehe Kapitel 2 "Elektrische Gefährdungen") entsteht die für den Kontaktstrom verantwortliche Potentialdifferenz durch Ableiten des externen EMF durch den Gegenstand oder Beschäftigten durch Induktion oder kapazitive Einkopplung. Kontaktströme sind abhängig von der Kontaktfläche und der Entladungsenergie. Für weitere Informationen siehe DIN VDE 0855-300:2008-08 oder DIN VDE 0800-2:2011-06.

Eine umfassende Darstellung der physiologischen Grundlagen, der Wirkungen statischer und niederfrequenter Felder bis 100 kHz, der Ableitung von Grenzwerten und der notwendigen Schutzmaßnahmen gibt der Forschungsbericht 400 "Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Abgrenzung zu elektromagnetischer Verträglichkeit

Die Anforderungen zur Vermeidung von Gefährdungen durch EMF dürfen nicht mit der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) verwechselt werden. Als EMV wird die Fähigkeit eines Produktes bezeichnet, in seiner elektromagnetischen Umgebung zu arbeiten, ohne elektromagnetische Störungen bei anderen Produkten zu verursachen, oder durch andere Produkte gestört zu werden. Durch Festlegungen von Mindestanforderungen zur elektromagnetischen Verträglichkeit sollen technische Funktionsstörungen verringert werden.

Abgrenzung zu Elektrosicherheit

Bei der Verwendung elektrischer Betriebsmittel, Arbeiten an Einrichtungen der Energieversorgung oder in der unmittelbaren Nähe von unter Spannung stehenden Teilen können leitungsgebundene Gefährdungen durch elektrischen Schlag (Teil- oder Ganzkörperdurchströmung) oder (Stör-)Lichtbögen auftreten. Zur Bewertung dieser Gefährdungen wird auf Kapitel 2 "Elektrische Gefährdungen" verwiesen.

Gefährdungen durch EMF basieren auf einer kapazitiven oder induktiven Einkopplung eines äußeren EMF in den Körper der Beschäftigten. Einerseits kann das äußere EMF in ihm befindliche nicht geerdete Gegenstände oder Beschäftigte polarisieren (aufladen). Mittels Influenz führt diese Potentialänderung auf der Oberfläche zu ausgleichenden Strömen im Inneren des Gegenstandes oder des menschlichen Körpers. In deren Folge gibt es einen Stromfluss gegen Erde. Weiterhin können äußere EMF direkt, also ohne galvanische Kopplung (Berührung) in den menschlichen Körper einkoppeln und Körperströme induzieren.

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