Ermittlung und Beurteilung
Prüfungsverfahren und Grenzwerte für Rutschgefährdungen
Prüfverfahren für neue Fußböden
Die Prüfung der Rutschhemmung von neu zu verlegenden Fußböden kann nach dem labormäßigen Prüfverfahren auf der schiefen Ebene durchgeführt werden - für Arbeitsbereiche nach ASR A1.5/1,2 beziehungsweise DIN 51130 und für nassbelastete Barfußbereiche nach DGUV-Information 207-006 beziehungsweise DIN 51097. Bewertungskriterien sind der Neigungswinkel/Akzeptanzwinkel, bei dem ein Begehen der schiefen Ebene gerade noch möglich ist, und die Volumina der Hohlräume des Fußbodenprofils (Verdrängungsräume). Bestimmte Winkelbereiche und Volumina des Verdrängungsraums werden Bewertungsgruppen der Rutschhemmung R9 bis R13 beziehungsweise A bis C (Tabelle 1.5-1 und Tabelle 1.5-3) beziehungsweise Bewertungsgruppen des Verdrängungsraums V4 bis V10 (Tabelle 1.5-2) zugeordnet.
R- und V-Wert
In Abhängigkeit von Arbeitsbereich und Tätigkeit kann aus dem Anhang 2 der ASR A1.5/1,2 der erforderliche R- und V-Wert entnommen werden. Zum Beispiel gelten für Außentreppen allgemein R10/V4 beziehungsweise R11.
Geprüfte Bodenbeläge – Positivliste
Bei Kenntnis des R- und V-Wertes kann der geeignete Fußboden aus der Positivliste – Geprüfte Bodenbeläge – [1] ausgewählt werden (für nassbelastete Barfußbereiche entsprechend – Liste NB [2]). Häufige Ursache für Treppenstürze ist die unzureichende Rutschsicherheit von Treppenstufen, insbesondere der Stufenkanten. Die ASR A1.5/1,2 kann neben Fußböden auch für Treppenstufen angewendet werden. Für die Bestimmung der Rutschhemmung von Stufenkanten gibt es kein anerkanntes Prüfverfahren.
Bewertung der Rutschhemmung von Fußböden nach ASR A1.5/1,2
Tabelle 1.5-1 Zuordnung der Akzeptanzwinkelbereiche zu den Bewertungsgruppen der Rutschhemmung Bewertungsgruppe | Winkelbereiche |
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R 9 | von 6° bis 10° |
R 10 | mehr als 10° bis 19 |
R 11 | mehr als 19° bis 27° |
R 12 | mehr als 27° bis 35° |
R 13 | mehr als 35° |
Tabelle 1.5-2 Zuordnung der Mindestvolumina zu den Bewertungsgruppen des Verdrängungsraumes Bewertungsgruppe des Verdrängungsraums | Mindestvolumen des Verdrängungsraums (cm3/dm2) |
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V 4 | 4 |
V 6 | 6 |
V 8 | 8 |
V 10 | 10 |
Bewertung der Rutschhemmung von Bodenbelägen in nassbelasteten Barfußbereichen nach DGUV-Information 207-00
Tabelle 1.5-3 Zuordnung der Mindestneigungswinkel zu den Bewertungsgruppen der Rutschhemmung Bewertungsgruppe | Mindestneigungswinkel | Bereiche |
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A | 12 ° |
- Barfußgänge
- Einzel- und Sammelumkleideräume
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B | 18 ° |
- Duschräume
- Bereich von Desinfektionssprühanlagen
- Beckenumgänge
- Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen (auch von Wellenbecken)
- Hubböden
- Planschbecken
- ins Wasser führende Leitern
- ins Wasser führende, max. 1,0 m breite Treppen mit beidseitigen Handläufen
- Leitern und Treppen außerhalb des Beckenbereichs
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C | 24 ° |
- ins Wasser führende Treppen, soweit sie nicht B zugeordnet sind
- Durchschreitebecken
- Geneigte Beckenrandausbildung
|
Prüfung vorhandener Fußböden
Vorhandene Fußböden können mittels mobiler Prüfgeräte vor Ort geprüft werden. Zur Zeit gibt es ein Prüfverfahren für nichtprofilierte und für textile Bodenbeläge (DIN 51131), sowie ein Prüfverfahren für Sportböden (DIN V 18032-2). Für die Gleitreibungsmessung von Fußböden vor Ort haben sich Tribometer-Prüfgeräte bewährt. Gegenwärtig kommen in Deutschland vor allem folgende motorbetriebene Geräte zum Einsatz:
Die Prüfgeräte ermitteln präzise Messwerte über die Haft- und Gleitreibung von Bodenbelägen nach DIN 51131 und simulieren ein natürliches Begehen des Bodenbelages. Die Tribometer sind mit Gleitern ausgerüstet und werden parallel zur Oberfläche eines Bodenbelags mit konstanter Geschwindigkeit gezogen. Die hierfür erforderliche Kraft wird über die Länge der Messstrecke ermittelt. Zur Ermittlung des Gleitreibungskoeffizienten wird diese Kraft durch die vertikal wirkende Kraft dividiert. Die Prüfung kann auf trockenen, nassen Bodenoberflächen oder auf Bodenoberflächen mit definiertem Gleitmittel sowie im Betriebszustand durchgeführt werden.
Zu ermitteln ist der Gleitreibwert µ:
µ = FR / FN
FR - Reibekraft
FN - Normalkraft (Last)
Die mit Hilfe von Tribometern erzielten Reibwerte können nach den Kennwerten in Tabelle 1.5-4 bewertet werden.
Zu hohe Reibwerte (zum Beispiel µ > 0,6 bei Sportböden nach Vornorm DIN V 18032-2) können unter bestimmten Bedingungen (häufige Drehbewegungen des Fußes, Abbremsen schneller Bewegungen) zu einer zu hohen Belastung des Stütz- und Bewegungsapparats führen.
Tabelle 1.5-4 Bewertung der Gleitreibung nach DGUV Information 208-041Reibwert | Bewertung |
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µ ≥ 0,45 | Rutschhemmung vorhanden1, Bodensystem uneingeschränkt betriebstauglich |
µ ≥ 0,30
µ < 0,45
|
Rutschhemmung vorhanden unter Beachtung der Betriebsbedingungen
2
Bodensystem betriebstauglich, evtl. besondere Maßnahmen erforderlich
3
|
µ < 0,30 | Rutschhemmung nicht vorhanden, Bodensystem kritisch, besondere Maßnahmen erforderlich |
1 Bei hohen Reibwerten, z. B. µ > 0,8, kann ein erhöhtes Stolperrisiko oder eine Gefährdung der Gesundheit durch extreme biomechanische Belastung des Stütz- und Bewegungssystems (z. B. der Kniegelenke) bestehen. Zwischen benachbarten Bodenbelägen bzw. Belagstellen mit unterschiedlichem Oberflächenzustand (z. B. trocken/nass) sollte die Reibwertdifferenz Δ µ ≤ 0,2 sein.
2 z. B. zeitweiliges Aufkommen von gleitfördernden Stoffen, Reinigungsmitteln
3 z. B. Nässebindung mit textilen Läufern, Absperrung
Beurteilungskriterien für Sturzgefährdungen durch Stolpern, Umknicken, Fehltreten
Unebenheiten und Bewegungshindernisse
Die Sturzgefährdungen können in erster Linie nach dem Grad der Unebenheit beziehungsweise nach dem Vorhandensein von Bewegungshindernissen beurteilt werden. Im Vorschriften- und Regelwerk existieren keine allgemeingültigen Grenzwerte für unzulässige Stolper- und Umknickhöhen.
Für den Bau von Fußböden werden in der Norm DIN 18202 Toleranzen für Unebenheiten angegeben. Für einzelne bautypische Bodenbeläge existieren weitere DIN-Normen (Abschnitt "Vorschriften, Regelwerk, Literatur"). Als häufigste zulässige Höhendifferenz auf 0,1 m Länge werden 2 mm angegeben. Diese Höhendifferenz ist eher als bautechnische Qualitätsforderung, weniger als untere Grenze für unzulässige Stolper- oder Umknickkanten anzusehen.
Zur allgemeinen Orientierung für gefährliche Unebenheiten von Trittflächen können die in Abbildung 1.5-1 und 1.5-2 angeführten Richtwerte (nach [4]) dienen - (25 % entsprechen einem Winkel von 14°):
Abbildung 1.5-1 Gefährliche Höhenunterschiede und Schrägen
Gefährdungen bestehen, wenn l > 20 mm bei einer Tiefe t > 4 mm und einer Breite b > 60 mm (in Bewegungsrichtung gesehen).
Abbildung 1.5-2: Gefährliche Öffnungen und Vertiefungen
Stolperkanten
Gefahrstellen, wie gelöste, hochstehende Belagränder und Stufenkantenprofile, sind bei jeder Höhe gefährlich und sollten in jedem Fall beseitigt werden.
Tritt- und Standflächen
Zu geringe Tritt- und Standflächen, die zum Fehltreten führen können, sind dann vorhanden, wenn die für Treppenstufen und Stufenpodeste empfohlenen Mindestabmessungen (ASR A1.8, DGUV Information 208-005, DIN 18065) nicht eingehalten werden (29 cm Auftrittstiefe, 80 cm Trittflächenbreite). Podestartige Arbeitsflächen sollten eine Bewegungsfläche von mindestens 1,5 m2 bei einer Länge von mindestens 1 m haben.
Ergänzende Beurteilung der Sturzgefährdungen
Eine ergänzende Beurteilung kann unter Beachtung der Umfeld- und Einsatzbedingungen nach Tabelle 1.5-5 durchgeführt werden.
Tabelle 1.5-5 Ergänzende Beurteilung der SturzgefährdungenUmfeld- und Einsatzbe-
dingungen | Kriterien | Vorschriften/ Regeln |
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Schuhwerk |
Bereitstellung und Tragen geeigneter Schutzschuhe:
- rutschhemmende Eigenschaften der Schutzschuhe (Sohlenwerkstoff, Profil) (siehe "Arbeitsschutzmaßnahmen")
- Verschleißzustand der Schuhe
- Trageeigenschaften der Schuhe
| DGUV Regel 112-190
DIN EN ISO 13287
DIN EN ISO 20345
DIN EN ISO 20346 |
Erkennbarkeit von Gefährdungen |
Erkennbarkeit möglicher Sturzgefährdungen auf Trittflächen:
- ausreichende Beleuchtung, Kontrast, farbliche Kennzeichnung
- Vermeidung von Wahrnehmungstäuschungen (fehlende Übergänge)
- Hinweise (Schilder, Piktogramme)
- Unterweisungen
| ASR A1.3
ASR A3.4
DIN EN 12464-1
DIN EN 12464-2
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Erschwerende Bedingungen |
Erhöhte Anforderungen durch erschwerende Bedingungen (erhöhte Rutschhemmung):
- beim Gehen mit getragener Last, Ziehen/ Schieben von Last (Sichteinschränkungen, Schwerpunktverlagerung des Körpers…)
- Neigung/Steigung des Fußbodens
- Kurven und sonstige Änderungen der Bewegungsrichtung
- schnelles, hektisches Gehen
- Kombination von o.g. Bedingungen
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