Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände

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Art der Gefährdungen und ihre Wirkungen

Umsetzungsarten und Wirkungen von Explosivstoffen

Je nach Geschwindigkeit der Umsetzung von Explosivstoffen wird unterschieden zwischen

  • Deflagration, die chemische Umsetzung mit Flammenbildung, die mit Unterschallgeschwindigkeit abläuft, ohne den Sauerstoff der Umgebung zu benötigen;
  • Detonation, die chemische Umsetzung, die mit Überschallgeschwindigkeit unter Bildung einer Stoßwelle abläuft.

Die Umsetzung ist mit folgenden Wirkungen verbunden:

  • Luftstoßwirkung
  • Bodenstoß- und Kraterwirkung
  • Wirkung durch Spreng- und Wurfstücke
  • thermische Wirkung durch Flammen und Wärmestrahlung
  • Wirkung der Explosionsschwaden

Luftstoßwirkung

Bei der Oberflächendetonation eines Explosivstoffs kommt es zur Ausbildung einer Luftstoßwelle, die sich mit sehr hoher Anfangsgeschwindigkeit vom Detonationsort ausbreitet. Der Überdruck in der Stoßwellenfront nimmt mit zunehmender Entfernung vom Detonationsort ab und gleichzeitig nimmt die Dauer des Luftstoßimpulses zu. Die Zusammenhänge zwischen den Stoßwellenparametern und dem Abstand vom Detonationsort beschreiben Skalierungsgesetze. Nach dem Skalierungsgesetz von CRANZ verhalten sich die Entfernungen vom Detonationsort, in denen der gleiche Stoßdruck herrscht, wie die dritten Wurzeln aus den Massen der gleichen Explosivstoffladungen. Die Luftstoßwirkung wird u. a. durch den Druck der normal reflektierten Luftstoßwelle erfasst. In Abhängigkeit vom skalierten Abstand k zwischen Donator und Akzeptor sind die Druckwirkungen in Tabelle 5.3-1 beschrieben. Als Donatoren werden gefährdende Objekte bezeichnet. Die Objekte, die einer Gefährdung ausgesetzt sind, nennt man Akzeptoren. Der Faktor k ist definiert als

k = E / m1/3

(mit E = Entfernung in Metern und m = Nettoexplosivstoffmasse in kg).

Tab. 3.5-1 Luftstoßdruck in Abhängigkeit vom skalierten Abstand k (Orientierungswerte)
Skalierter Abstand k in m/kg1/3Überdruck in der normal reflektierten
Luftstoßwelle in kPa
2600 … 1100
580 … 130
1026 … 31
1515 … 18
2010 … 13
229 … 11,5

Der Luftstoßdruck bewirkt die in den Tabellen 3.5-2 bis 3.5-4 dargestellten typischen Verletzungen von Personen bzw. Schäden an Gebäuden.

Tab. 3.5-2 Schadensbilder von Luftstoßwellen (Orientierungswerte)
SchadensbildÜberdruck in der normal reflektierten Luft­stoß­welle in kPa (Schwellenwert)
Fensterscheiben, Fensterrahmen, Türen (beschädigt bis zerstört)2,5 … 14
Dächer (beschädigt bis zerstört)5 … 17
50-%-Grenze für Trommelfellschäden11 … 14
Leichte Wandverkleidung (beschädigt bis zerstört)14 … 30
Ziegelsteinmauer (beschädigt bis zerstört30 … 150
Stahlskelette leichter Gebäude (beschädigt)30 … 250
Backsteingebäude (beschädigt bis zerstört)30 … 360
Lungenschäden (stark impulsabhängig)50 … 100

Betonbauten und Stahlbetonbauten (beschädigt bis

zerstört)

180 … 5 000
Tod des Menschen140 …
Tab. 3.5-3 Verletzungen von Personen in Abhängigkeit von der Entfernung zum Detonationsort in Metern (orientierende Werte)
Explosivstoffmasse in kg< 1 % leichte Kopfverletzungen< 1 % Gehörschäden
4 000~ 320 m~ 200 m
10 000~ 430 m~ 280 m
20 000~ 550 m~ 350 m
40 000~ 700 m~ 450 m
60 000~ 800 m~ 500 m

Die Schäden an Gebäuden durch Luftstoßwirkung in Abhängigkeit von der Explosivstoffmasse und der Entfernung vom Detonationsort werden in der folgenden Tabelle dargestellt.

Tab. 3.5-4 Schäden in Abhängigkeit von der Entfernung in Metern (Orientierungswerte)
Schadensbild

Explosiv­stoff­masse

4 000 kg

Explosiv­stoff­masse

10 000 kg

Explosiv­stoff­masse

20 000 kg

Explosiv­stoff­masse

40 000 kg

Explosiv­stoff­masse

60 000 kg

totale
Gebäudeschäden
50 m60 m80 m100 m110 m
schwere
Gebäudeschäden
110 m140 m180 m230 m260 m
mittlere
Gebäudeschäden
160 m210 m270 m340 m390 m
leichte
Gebäudeschäden
180 m240 m300 m380 m440 m
geringe
Gebäudeschäden (z. B. Fensterschäden)
270 m370 m460 m580 m670 m

Bodenstoß- und Kraterwirkung

Die Bodenstoß- und Kraterwirkung liegt bei Detonationen hinsichtlich ihrer Schadenswirkung deutlich unter der Schadenswirkung des Luftstoßes. Die Bodenstoßwirkung muss im Hinblick auf die Standfestigkeit von Wänden und Gebäuden berücksichtigt werden. Innerhalb des Kraterradius ist mit einer sympathetischen Detonationsübertragung (gleichzeitige Detonation der gesamten Explosivstoffmasse) zu rechnen.

Wirkung durch Spreng- und Wurfstücke

Bei einer Explosion können Gebäude- oder Maschinenteile, aber auch Teile explodierender Gegenstände vom Explosionsort weggeschleudert werden. Die Wurfweite ist u. a. abhängig von Art und Masse des Explosivstoffs, den Einschlussbedingungen sowie der Bauausführung des Gebäudes und lässt sich quantitativ nur sehr schwer beschreiben. Unter bestimmten Bedingungen treten Wurfweiten von mehreren hundert Metern auf. Spreng- und Wurfstücke bilden somit eine zusätzliche Gefährdung insbesondere für ungeschützte Personen.

Für die Gefährdung durch Wurfstücke wird international die Wurfstückdichte (Einheit: kg/m2) herangezogen. In Gebäuden wird mit einer Letalität von unter 1 % gerechnet, wenn die Wurfstückdichte etwa 1 kg/m2 beträgt. In nachstehender Zusammenstellung sind die Entfernungen, bei denen diese Gefährdung auftritt, in Abhängigkeit von der Explosivstoffmasse aufgeführt:

Tab. 3.5-5 Entfernungsangaben für die Wurfstückdichte 1 kg/m2 (Orientierungswerte)
Explosivstoffmasse in kgEntfernungen in m (Wurfstückdichte 1 kg/m²)
4 00063
10 00090
20 000118
40 000154
60 000180

Des Weiteren ist mit zusätzlicher Sprengstückwirkung zu rechnen, wenn mit großkalibrigen Geschossen, Bomben oder Gefechtsköpfen umgegangen wird. Die Wirkung ist im Einzelfall im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung abzuschätzen. Hierbei sind mit Splitterreichweiten von bis zu 1 000 m zu rechnen.

Splitterwirkungen werden als gefährlich eingestuft, wenn die Splitter eine kinetische Energie von ≥ 80 J haben und die Splitterdichte 1 Splitter pro 56 m2 beträgt.

Thermische Wirkung

Die Wirkung der Wärmestrahlung kann durch ein Feuerballmodell charakterisiert werden. Danach berechnet sich der maximale Durchmesser des Feuerballs zu
D = 3,7675M0,325

wobei M die Masse des abbrennenden Stoffs in kg ist. Die bei einem sehr schnellen Abbrand (Deflagration) entstehende Druckwelle kann vernachlässigt werden, da diese wesentlich geringer ist als bei der beschriebenen Gefährdung durch Luftstoßdruck bei gleicher Explosivstoffmenge.

In der folgenden Aufstellung sind in Abhängigkeit von der Explosivstoffmasse Feuerballdurchmesser und Wirkungsdauer angegeben.

Tab. 3.5-6 Angaben zum Feuerball (Orientierungswerte)
Explosivstoffmasse in kgDurchmesser in mWirkungsdauer in s
4 000564,7
10 000756,4
20 000948,2
40 00011810,4
60 00013412,0

Wirkung der Explosionsschwaden

Bei der Umsetzung von Explosivstoffen entstehen hauptsächlich gasförmige Reaktionsprodukte, die sog. Explosionsschwaden, deren Art und Mengenanteile maßgeblich von der chemischen Zusammensetzung des Explosivstoffs und den Umsetzungsbedingungen abhängig sind.

Die hauptsächlichen gasförmigen Reaktionsprodukte von Explosivstoffen sind Kohlendioxid, Stickstoff und Wasserdampf. In zumeist geringeren Mengenanteilen entstehen jedoch auch – je nach Zusammensetzung des Explosivstoffs – toxische und reizend wirkende Gase, wie Kohlenmonoxid, nitrose Gase, Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Chlorwasserstoff usw.

Im Allgemeinen ist die Wirkung der toxischen Schwadenbestandteile im Vergleich zu den anderen genannten Wirkungen von Explosivstoffen als untergeordnet einzustufen, da im Freien oder bei guter Belüftung eine schnelle Verdünnung der Gase eintritt. Gesundheitsgefährdungen können jedoch bei nicht ausreichender Belüftung entstehen, z. B. in geschlossenen Räumen oder bei der Verwendung von Explosivstoffen im untertägigen Bergbau.

Gesundheitsgefährdungen bei Tätigkeiten mit Explosivstoff

Bei Tätigkeiten mit Explosivstoff kann eine Inhalation von Stäuben und Dämpfen, der Hautkontakt oder die Aufnahme über die Haut zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschäftigten führen. Durch eine gute Belüftung des Arbeitsplatzes und das Tragen geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Chemikalienschutzhandschuhe) wird diese Gefährdung im Regelfall ausreichend minimiert. Es muss jedoch beachtet werden, dass einige Explosivstoffe als krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft sind. Die Angaben im Sicherheitsdatenblatt sind daher unbedingt zu beachten. Weitere Informationen finden sich in den Kapiteln "Gute Arbeitspraxis und Hygienestandards", "Hautkontakt mit Gefahrstoffen" und "Einatmen von Gefahrstoffen", .

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