Messung luftgetragener Bakterien

In verschiedenen Projekten widmet sich die BAuA der Entwicklung und Anwendung neuer Methoden für die Messung luftgetragener Bakterien am Arbeitsplatz.

Aufgrund der schwierigen Ausgangssituation für eine Gefährdungsbeurteilung in Arbeitsbereichen ohne Schutzstufenzuordnung kann es sinnvoll sein, Messungen am Arbeitsplatz durchzuführen, um eine Datengrundlage für die Belastungssituation zu schaffen. Die erste Fassung der Biostoffverordnung empfiehlt dazu, die Belastung der Luft am Arbeitsplatz zu ermitteln. Allerdings gibt es weder gesetzliche Messverpflichtungen, noch sind Grenzwerte für Biostoffe an Arbeitsplätzen festgesetzt bzw. definiert.

Sammlung von luftgetragenen Bakterien

Für die Sammlung von luftgetragenen Bakterien an Arbeitsplätzen sind weder national noch international spezifische Sammelgeräte - von denen heute eine Vielzahl unterschiedlicher kommerzieller Systeme zur Verfügung stehen - für Arbeitsplatzmessungen vorgeschrieben. Aufgrund ihrer Abscheideprinzipien werden die Mess-Systeme in die sechs Kategorien Filtration, Impaktion, Sedimentation, Präzipitation (Thermal- und Elektropräzipitation) und Impingement gruppiert. Je nach Sammelort und Zielstellung kommen sowohl personengetragene als auch stationäre Geräte zum Einsatz. Die Abscheidung des Sammelgutes erfolgt in Abhängigkeit vom verwendeten Sammelsystem auf Filtern, auf speziellen Oberflächen oder auf festen Nährmedien sowie in Sammelflüssigkeiten. Dabei werden die Materialien oder Lösungen innerhalb eines Systems häufig in unterschiedlichen Varianten eingesetzt. Insgesamt ergibt sich damit eine fast unüberschaubare Kombination von Sammelsystemen und Sammelmedien, die in der Literatur beschrieben sind. Ein Vergleich der erhaltenen Daten ist somit nur bedingt möglich.

Von der Sammlung zur Detektion

Die Detektion von Bakterien bei Arbeitsplatzmessungen funktioniert fast ausschließlich über den kultivierungsabhängigen Ansatz. Für einen möglichen Nachweis bei diesem Vorgehen gibt damit vor allem die biologische Sammeleffizienz (Erhaltungseffizienz) des verwendeten Sammelsystems den Ausschlag, denn die Bakterien erfahren durch die Sammlung unterschiedlich ausgeprägte physikalische Einflüsse. Die Sammlung kann zum Absterben der Mikroorganismen führen oder zum Übergang der Zellen in ein Stadium, in dem eine Kultivierung nicht mehr möglich ist, die Organismen aber noch leben. Dieses Stadium wird als "viable but non-culturable" bezeichnet. Die Ursachen hierfür sind bis heute im Detail kaum verstanden. Aufgrund des "Sammelstresses" dürfen die Sammelzeiten also nur kurz sein. Sammlungen über eine gesamte Arbeitsschicht sind bei kultivierungsabhängiger Detektion daher auf geeignete, wesentlich kürzere Sammelzeiträume je Sammlung aufzuteilen.

Und noch etwas ist bei der kultivierungsabhängigen Analyse zu berücksichtigen: Durch die hohe Stoffwechselvielfalt unter den Bakterien ist damit zu rechnen, dass die Auswahl von Nährmedien und Inkubationsbedingungen dazu führt, dass sich nur die Bakterien erfassen lassen, deren Kultivierungsansprüchen genüge getan wird. Dieses Phänomen ist als "plate-count-anomaly" beschrieben und beruht auf Minderbemessung von Mikroorganismen über die Kultivierung im Vergleich zur direkten mikroskopischen Zählung. Die bisherigen Expositionsmessungen, aber auch die Messungen zur Emission aus Betrieben, beruhen überwiegend auf der Detektion kultivierungsabhängiger Summenparameter wie mesophile Bakterien. Sie geben die Konzentration als "Koloniebildende Einheiten pro m³ Luft" wider.

Nährmedien im Einsatz zur Selektion von Bakteriengruppen

Zum Teil sind Nährmedien im Einsatz, die gezielt Bakteriengruppen selektieren sollen. Im Bereich von Tierställen werden beispielsweise häufig Selektivmedien zur Anreicherung von Staphylokokken verwendet.

Viele der verwendeten "selektiven" Nährmedien sind bislang in der Analyse von Lebensmitteln oder in der klinischen Diagnostik etabliert. Für eine qualitative Analyse von komplexen Arbeitsplatzproben fehlen für die meisten Nährmedien bislang entsprechende Untersuchungen, die deren Selektivitäten bzw. Spezifitäten für Bioaerosolanalysen aufzeigen.

Nur selten werden die Mikroorganismen aus Arbeitsplatzproben isoliert und näher bestimmt. Das allerdings ist Pflicht für eine Informationsbeschaffung im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung. Die erfassten Summenparameter können somit nur als generelle Belastungsindikatoren betrachtet werden, da von ihnen keine gesundheits- bzw. umweltbeeinträchtigende Gefahr abgeleitet werden kann. Dies ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass innerhalb der detektierten Bakteriengruppen sowohl pathogene als auch harmlose Arten vorhanden sein können. Für eine Risikoabschätzung muss daher eine nähere Identifizierung der Mikroorganismen erfolgen.

Neue Wege bei der Erfassung

Für die Informationsbeschaffung im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung, die auf Messungen aufbauen könnte, braucht es ergänzende Methoden. Die DNA-Sequenzanalyse von 16S-rRNA-Genen könnte eine solche Ergänzung sein. Die klinische Diagnostik nutzt die Sequenzinformationen bereits zur Identifizierung und betrachtet sie teilweise als Goldstandard.

Die Identifizierung über die Analyse des 16S-rRNA-Gens hat einen großen Vorteil: Es ist heute Pflicht, mit jeder Neubeschreibung einer Bakterienart die entsprechenden Sequenzinformationen in öffentlichen Datenbanken zu hinterlegen. Dadurch stehen große öffentliche Datenbanken wie das Ribosomal Database Project zur Identifizierung zur Verfügung. Bei der Identifizierung auf Ebene der Art spielen allerdings weitere Faktoren eine Rolle: Es gilt auch die Erkenntnisse zu berücksichtigen, die in den letzten Jahren zu den Informationen des 16S-rRNA-Gens gewonnen wurden und die eine Unsicherheit bei der Identifizierung darstellen können. So kann dieses Gen innerhalb einer Zelle mehrfach vorkommen und dabei zum Teil große intragenomische Sequenzunterschiede aufweisen. Außerdem treten häufig hohe Sequenzähnlichkeiten zwischen verschieden Arten einer Gattung auf.

Sequenzanalyse zur Detektion von Bakteriengemeinschaften

Die 16S rRNA-Gen-Sequenzanalyse wird schon lange eingesetzt, beispielsweise zur Detektion der Bakteriengemeinschaften in Bodenproben. Für die gezielte Quantifizierung von Mikroorganismengruppen oder sogar Arten lässt sich mittels spezifischer Primer die Anzahl an Zielgenen in einer Probe mittels quantitativer PCR-Methoden ermitteln.

Im Bereich der Luftanalysen und speziell im Bereich der Arbeitsplatzmessungen haben molekularbiologische Methoden bislang selten Anwendung gefunden. Dabei gab es die ersten PCR-basierten Analysen zur Untersuchung von Bioaerosolen bereits Anfang der 1990er Jahre und ein Teil der Studien zeigte ihren Nutzen deutlich.

Aus diesem Grund hat die BAuA in den letzten Jahren Projekte durchgeführt, die sich mit der Entwicklung und der Anwendung neuer Methoden für Arbeitsplatzmessungen beschäftigten. Die Ergebnisse zeigen, dass molekularbiologische und biochemische Methoden in der Bioaerosolanalytik die Expositionen sowohl qualitativ als auch quantitativ erfassen. Damit sind die getesteten Methoden sinnvolle Ergänzungen zur Kultivierung. Abgeleitet aus den Ergebnissen und in Verbindung mit den Risikogruppen der erfassten Mikroorganismen lassen sich erste Schritte zur besseren Abschätzungen des Gefährdungspotentials für Beschäftigte aber auch der Umwelt machen bzw. erforderliche Schutzmaßnahmen ableiten.

Downloads

Literaturangaben

(PDF, 79 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Download

Mehr zu Biostoffe | Infektionsschutz