Einstufung von Biostoffen in Risikogruppen

Manche Beschäftigte kommen bei ihrer Arbeit mit einer viel größeren Zahl an Biostoffen in Kontakt als im alltäglichen Leben. Für die praxisgerechte Ableitung von Schutzmaßnahmen werden Biostoffe entsprechend ihrer Gefährlichkeit für den Menschen in Risikogruppen eingestuft.

Einige Bakterien, Viren, Pilze und andere Biostoffe können den Menschen infizieren und krank machen. Man bezeichnet diese Biostoffe als Pathogene. Viele andere Biostoffe sind dagegen für den Menschen ungefährlich (Apathogene) oder nur für geschwächte Personen gefährlich (opportunistische Pathogene). Allerdings können Arbeitnehmer in vielen Arbeitsbereichen sehr hohen Konzentrationen an Biostoffen mit unterschiedlichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sein. Das Gefährdungspotenzial der Biostoffe muss der Arbeitgeber im Zuge der arbeitsplatzbezogenen Gefährdungsbeurteilung dokumentieren.

Welche Risikogruppen gibt es?

Damit Arbeitgeber praxisgerechte Schutzmaßnahmen ergreifen können, sind Biostoffe in vier Risikogruppen entsprechend ihres Infektionsrisikos für den Menschen eingestuft. Grundlagen dafür sind Übertragbarkeit, Schwere der Erkrankung und Heilbarkeit. Dabei haben Biostoffe der Risikogruppe 1 das geringste und Biostoffe der Risikogruppe 4 das höchste Infektionsrisiko.

Risikogruppe 1

Biostoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Krankheit hervorrufen.

Risikogruppe 2

Biostoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen könnten; eine Verbreitung in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich.

Risikogruppe 3

Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich.

Risikogruppe 4

Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung ist unter Umständen groß; normalerweise ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung nicht möglich.

Die Einstufung von Biostoffen in Risikogruppen ist in Deutschland durch die Biostoffverordnung gesetzlich geregelt. Die Biostoffverordnung setzt dabei das deutsche Arbeitsschutzgesetz und die europäische Richtlinie 2000/54/EG um. Es gibt nationale und EU-weite Risikogruppeneinstufungen.

Wie werden Biostoffe eingestuft?

In Deutschland stuft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Biostoffe ein. Beraten wird das BMAS dazu sowohl durch den Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) – vertreten durch den Unterausschuss "Wissenschaftliche Bewertung und Einstufung von Biostoffen" – als auch durch die Berufsgenossenschaft für Rohstoffe und chemische Industrie (BGRCI).

Eingestufte Biostoffe sind entsprechend ihres biologischen Ursprungs in den folgenden Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) dokumentiert:

  • TRBA 460 Einstufung von Pilzen in Risikogruppen
  • TRBA 462 Einstufung von Viren in Risikogruppen
  • TRBA 464 Einstufung von Parasiten in Risikogruppen
  • TRBA 466 Einstufung von Prokaryonten (Bacteria und Archaea) in Risikogruppen
  • TRBA 468 Liste der Zelllinien und Tätigkeiten mit Zellkulturen

Diese TRBA werden im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht. Die BAuA als Einrichtung des BMAS bietet die TRBA auf Ihrer Webseite direkt zum Download an.

Dokumentation von weiteren kritischen Eigenschaften

Biostoffe werden auf Ebene der Art eingestuft. Selten können auch Varianten einer Art, z. B. Stämme mit abweichenden Eigenschaften gegenüber typischen Vertretern der gleichen Art, oder Gruppen von Arten, z. B. Gattungen eingestuft sein. Zusätzlich zu der Risikogruppe sind in den TRBA weitere gesundheitskritische Eigenschaften durch spezifische Vermerke zum betreffenden Biostoff dokumentiert, z. B. das sensibilisierende oder toxische Potenzial. Weitere Informationen wie Pflanzen- oder Tierpathogenität und Übertragungswege sind zum Teil ebenfalls berücksichtigt. Die TRBA 468 listet dabei nicht nur die verschiedenen Biostoffe auf, sondern enthält auch konkrete Regeln für gute Zellkulturtechnik.

Über die Geschäftsführung des ABAS können Anfragen zur Einstufung an den Unteraussschuss „Wissenschaftliche Bewertung und Einstufung von Biostoffen“ gestellt werden. Solche Anfragen gibt es beispielsweise dann, wenn Forschungsinstitute, Unternehmen oder andere Einrichtungen Tätigkeiten mit Biostoffen planen und diese Biostoffe für die Gefährdungsbeurteilung eine Zuweisung zu einer Risikogruppe benötigen. Vorinformationen, die hierfür notwendig sind, nennt die TRBA 450.

Zudem führt der Unterausschuss „Wissenschaftliche Bewertung und Einstufung von Biostoffen“ in Zusammenarbeit mit der BG RCI Einstufungen als eigene Vorhaben durch. Ein Beispiel: Bislang nicht eingestufte Grippeviren im Zuge von Grippewellen. In einigen Fällen arbeitet der ABAS bei der Einstufung mit der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) zusammen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Biostoff sowohl einer Einstufung über den ABAS wie auch einer Einstufung gemäß der Gentechniksicherheitsverordnung durch die ZKBS unterliegt.

Im Rahmen der Forschung an Biostoffen bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin werden Projekte durchgeführt, um den Einstufungsprozess mit einem Zellmodell im Labormaßstab zu unterstützen.

Unterschiede zwischen nationaler und EU-weiter Einstufung

In Deutschland geht die nationale Einstufung wesentlich über die EU-Einstufung von Biostoffen hinaus.

EU-weit wird in die Risikogruppen 2, 3 und 4 eingestuft, die Risikogruppe 1 wird nicht genannt (2000/54/EG, Anhang III). Durch kontinuierliche, nationale Einstufungsarbeit sind die Listen eingestufter Biostoffe in den TRBA zudem wesentlich umfangreicher als im Anhang III der Richtlinie 2000/54/EG.

Die Einstufung in vier Risikogruppen ist an das Konzept der vier Biologischen Schutzstufen angelehnt, einer weltweiten Konvention, die z. T. mit nationalen und regionalen Abweichungen unter anderem in den Richtlinien der WHO (WHO Laboratory Biosafety Manual, 4. Aufl., Genf 2020) und des Kontrollzentrums für Krankheiten und Prävention der USA (Biosafety in Microbiological and Biomedical Laboratories, 6. Aufl., CDC 2020) enthalten ist.

Die Einstufung in vier Risikogruppen ermöglicht bei Tätigkeiten mit Schutzstufenzuordnung die praxisgerechte Umsetzung von vier definierten Schutzstufen mit jeweils zugeordneten technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen.

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