Untersuchungen zur krebserzeugenden Wirkung von Nanopartikeln und anderen Stäuben

Primäre Ziele der Untersuchungen waren, Unterschiede zwischen der Kanzerogenität von granulären Stäuben in der Rattenlunge nach intratrachealer Instillation zu erkennen, den optimalen Dosismaßstab für ihre Wirkungsstärke zu ermitteln und ihre mögliche Bedeutung für den Menschen zu interpretieren. Für das Experiment wurden 19 Stäube ausgewählt, deren Partikeln sich zumindest in einer der folgenden Eigenschaften wesentlich unterschieden: Chemische Zusammensetzung, Materialdichte, spezifische Oberfläche (gemäß der sogenannten BET-Methode) und mittlere Partikelgröße. Quarz und amorphes SiO2 wurden als Stäube mit bekannter spezifischer Toxizität in den Test eingeschlossen; über die Toxizität mehrerer Stäube war wenig bekannt; ein hydrophobiertes TiO2 erwies sich als akut stark toxisch.

16 der 19 Stäube bildeten eine Gruppe, für die keine spezifische Toxizität nachgewiesen wurde, die für ihre Kanzerogenität in diesem Experiment wesentlich gewesen zu sein schien. Diese Stäube wurden daraufhin als alveolengängige granuläre biobeständige Stäube ohne bekannte signifikante spezifische Toxizität (Abkürzung: GBS; sie umfasst alle neun Worte) im Rahmen dieser Kanzerogenitätsstudie bezeichnet. 12 der 16 GBS wurden den Feinstäuben (GBS-F) zugerechnet (mittlerer Durchmesser 0,09 - 4 µm), 4 den Ultrafeinstäuben bzw. "Nanopartikeln" (GBS-UF, mittlerer Durchmesser 0,01 - 0,03 µm). Die Ergebnisse legten es nahe, die große Gruppe der GBS-F in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Durchmesserbereichen zu unterteilen: die Gruppe der klein-feinen (GBS-KF, mittl. Durchmesser 0,09 - 0,2 µm) und die Gruppe der groß-feinen GBS (GBS-GF, mittl. Durchmesser 1,8 - 4 µm).

Die wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Alle 16 GBS erzeugten Lungentumoren, dosisabhängig und viel häufiger als erwartet. Das GBS-Volumen erwies sich in Verbindung mit dem Partikeldurchmesser als der geeignetste Dosismaßstab für die Kanzerogenität der GBS. Die 4 geprüften GBS-UF wirkten ungefähr doppelt so stark wie die 4 "kleinen" GBS-KF und 5- bis 6-mal stärker als die 8 "großen" GBS-GF.

Eine Wirkungsschwelle für die Kanzerogenität von GBS im Bereich des Allgemeinen Staubgrenzwertes ist für die Ratte unter Berücksichtigung aller Inhalations- und Instillationsexperimente äußerst unwahrscheinlich. Das zusätzliche Krebsrisiko nach Exposition von Ratten gegenüber GBS-F in Höhe des seit 2001 geltenden Allgemeinen Staubgrenzwerts für alveolengängigen Staub von 3 mg/m³ wurde mit 1 - 3 % berechnet. Viele Argumente sprechen gegen die Hypothese, dass der Mechanismus, der bei der Ratte die staubbedingten Lungentumoren verursacht, beim Menschen nicht existiert. Aus epidemiologischen Untersuchungen ergeben sich Hinweise, nach denen beim Menschen eine ähnliche kanzerogene Potenz möglich ist wie bei der Ratte, bezogen auf die Langzeit-Expositionskonzentration. Die Grenze für ein statistisch "eindeutig" erhöhtes Risiko liegt allerdings bei Mensch und Ratte bei den allermeisten Untersuchungen sehr hoch (absolutes Exzess-Risiko größer 5 - 10 %). Insgesamt erfüllt der gegenwärtige Kenntnisstand die Kriterien für eine Einstufung von GBS in die Kategorie 2 der krebserzeugenden Stoffe nach EU-Richtlinien.

Die Ergebnisse dieses Projektes werden derzeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern des AGS-Unterausschusses III "Gefahrstoffbewertung" und der MAK-Kommission diskutiert.

Bibliografische Angaben

Titel:  Untersuchungen zur krebserzeugenden Wirkung von Nanopartikeln und anderen Stäuben. 

Verfasst von:  M. Roller

1. Auflage.  Dortmund:  Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2008. 
ISBN: 978-3-88261-069-7, Seiten: 309, Projektnummer: F 2083, Papier, PDF-Datei

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